DDR von A-Z, Band 1959

Wirtschaftswissenschaften (1959)

 

 

Siehe auch:


 

[S. 397]Ein besonderes Augenmerk richtet der Parteiapparat der SED auf die Arbeit der Wirtschaftswissenschaftler. Konzentrationspunkt der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsarbeit ist das im Jahre 1953 gegründete Institut für W. bei der Deutschen ➝Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

 

Die ebenfalls im Jahre 1953 gebildete Sektion für W. an der Akademie unter Leitung von Professor Oelßner, der die führenden sowjetzonalen Wirtschaftswissenschaftler und Praktiker „volkseigener Betriebe“ sowie der Staatlichen Verwaltung angehören, stellte im Jahre 1954 gemeinsam mit dem Ministerrat dem Institut die Hauptaufgabe, die „grundlegenden ökonomischen Fragen der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus unter den spezifischen Bedingungen der DDR“ zu erforschen.

 

Zu den Grundfragen gehören: Entwicklung der Eigentumsverhältnisse, Produktion und Verteilung des Nationaleinkommens, Steigerung der Arbeitsproduktivität, Perspektivplanung, Untersuchung der „Besonderheiten“ der Entwicklung des deutschen „Imperialismus“ und die „Theorie vom Volkskapitalismus“.

 

Das Institut trat insbesondere durch folgende Publikationen hervor: Schriftenreihe des Instituts mit den Referaten und Protokollen der Konferenzen; Arbeiten der Professoren Kohlmey, Behrens, Lemmnitz und Lorenz Schmidt; Jahrbuch des Instituts; Bulletin „Geld und Kredit“ sowie „Konjunktur und Krise“; Sammelband eines Autorenkollektivs über „Bankpolitik, Staatshaushalt und Währung in Westdeutschland“; Zeitschrift „Wirtschaftswissenschaft“.

 

Im westlichen Ausland fanden insbesondere die von der SED auf der 30. ZK-Tagung stark kritisierten sogenannten revisionistischen Auffassungen von Professor Behrens und Benary, die, wie es heißt, eine „wissenschaftliche und ideologische Verwirrung“ hervorriefen und „eine energische Auseinandersetzung innerhalb der Parteiorganisation des Instituts erforderten“, Beachtung. Der von [S. 402]Behrens in der „Wirtschaft“ veröffentlichte Artikel über die Entwicklung des Reallohnes in der Bundesrepublik eröffnete eine Diskussion, die von der Partei als „ideologisch falsch“ verurteilt wurde.

 

Mit dem Artikel des polnischen Wirtschaftswissenschaftlers Brus in der Zeitschrift „Wirtschaftswissenschaft“ wurde eine beachtliche Diskussion über die Warenproduktion und das Marktgesetz im Sozialismus eröffnet, indem die Grundfragen der marxistischen politischen Ökonomie und der sozialistischen Wirtschaftspolitik angegriffen wurden.

 

Der Beitrag von Benary würde, wie es heißt, den Standpunkt der Arbeiterklasse verlassen und der „kapitalistischen Ideologie weit die Tore öffnen“. Ebenso verhalte es sich mit der von Behrens und Benary „provozierten“ Diskussion über die Administration oder Ökonomie in der Leitung der Volkswirtschaft der „DDR“.

 

Die Vorstellung von Behrens von der Leitung der sozialistischen Wirtschaft, wenn er sagt, daß es zweckmäßiger sei, „die Verwaltung der Wirtschaft von der Wirtschaft selbst, d. h. unmittelbar unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität, durchführen zu lassen, statt vom Staatsapparat und über den Haushalt“, sei unmarxistisch und stelle revisionistische Abweichungen dar, wie auch die These, daß „Fehler und Mängel nicht nur im subjektiven Versagen einzelner, sondern auch in objektiven Ursachen des gegenwärtigen Planungs- und Leitungssystems der sozialistischen Wirtschaft gesucht werden müssen“. Die Partei wirft Prof. Kohlmey vor, daß er sich nicht gegen derartige „unmarxistische“ Konzeptionen gewandt habe. Solche Konzeptionen bedeuten „Unterstützung der Konterrevolution und die Wiedererrichtung des Kapitalismus statt … Aufbau des Sozialismus“. Als einer der Hauptkritiker im Sinne der SED tat sich Prof. Lemmnitz hervor. (Politökonomie, Wirtschaftssystem, Deutsches Institut für ➝Marktforschung)


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Fünfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1959: S. 397–402


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.