DDR von A-Z, Band 1960

Demokratie (1960)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1962 1963 1965 1966 1969 1975


 

Die seit 1776 — USA — bzw. 1791 — Frankreich — für die „westliche“ Welt repräsentative Staats- und Gesellschaftsordnung („bürgerliche D.“). Nach Auffassung Marx' und Engels' ist in ihr die Ausbeutung nicht aufgehoben. Grundlage der D. sei vielmehr der auf dem „Antagonismus der Klassen“ beruhende kapitalistische Staat. Dennoch stellt nach klassisch-marxistischer Auffassung die bürgerliche D. einen Fortschritt gegenüber dem absolutistischen Feudalstaat dar, weil sie dem Proletariat das Wahlrecht, Rede- und Koalitionsfreiheit bringt und damit erleichternde Voraussetzungen für die Zerstörung der kapitalistischen Ordnung schafft. Die bürgerliche D. ist zwar eine „Diktatur der Minderheit [S. 86]über die Mehrheit“, der Bourgeoisie über das Proletariat, bildet aber ein erstrebenswertes Übergangsstadium auf dem Wege zur Diktatur des Proletariats und zum Sozialismus und damit zu einer „Diktatur der Mehrheit über eine Minderheit“. Noch Lenin erklärte: „Die ‚reine D.‘ ist die verlogene Phrase eines Liberalen, der die Arbeiter zum Narren hält“ (Ausgew. Werke, Bd. 2, Moskau 1947, S. 423). Mit dem Eintritt der SU in die Weltpolitik (Aufnahme in den Völkerbund 1934) erfuhr ihre Einstellung zur D. eine Wandlung, die mit dem anglo-amerikanisch-sowjetischen Bündnis von 1941 abgeschlossen wurde. Die SU glaubte, ihre weltanschaulichen Gegner mit den eigenen Waffen zu schlagen, indem sie die Staatsform der SU als die wahre D., als eine „D. für die Werktätigen, eine D. für alle“ und damit als „reale D.“ gegenüber der bloß „formalen bürgerlichen D. bezeichnete. Der Begriff D. wurde nach dem Kriege in den Satellitenstaaten und der SBZ zur Kennzeichnung des Übergangszustandes auf dem Wege zur Bolschewisierung durch die Begriffe Volksdemokratie oder Antifaschistisch-demokratische Ordnung willkürlich gedehnt und mißbraucht. (Periodisierung)


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1960: S. 85–86


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.