DDR von A-Z, Band 1960

Gleichberechtigung der Frau (1960)

 

 

Siehe auch:


 

Art. 7 der Verfassung der „DDR“ bestimmt: „Mann und Frau sind gleichberechtigt …“ In der Auslegung dieses Art. weist die SED-Propaganda darauf hin, daß wirkliche GdF. nur dadurch möglich wird, daß auch die Frau neben dem Mann einer geregelten Berufstätigkeit nachgeht. Mit der Parole „Einbeziehung der Frau in den Produktionsprozeß“ versucht die SED, den akuten Arbeitskräftemangel zu verringern, und hofft, die Frauen an ihrem Arbeitsplatz besser politisch beeinflussen zu können (Familienpolitik, Frauenarbeit). Bisher gelang es jedoch nur, 50 v. H. der 6 Mill. Frauen im Alter zwischen 15 und 60 Jahren in die Produktion einzuspannen. 1960 sind 43,9 v. H. aller in der Wirtschaft Beschäftigten, 20 v. H. aller Facharbeiter und ein Drittel aller Studierende)!) Frauen. Die meisten arbeiten, weil die Familieneinkommen ohne ihre berufliche Tätigkeit nicht ausreichen. Im einzelnen verteilen sich die arbeitenden Frauen auf folgende Altersgruppen: 18 bis 20 Janre 88 v. H.; 25 bis 29 Jahre 51 v. H.; 30 bis 60 Jahre unter 50 v. H. 93 v. H. aller berufstätigen Frauen arbeiten in den drei untersten Lohngruppen, gehören also zu den schlechtest bezahlten Arbeitskräften in der SBZ.

 

Die nichtberufstätigen Frauen werden aufgefordert, in Hausfrauenbrigaden einzutreten und sich an „freiwilligen“, unbezahlten Sondereinsätzen, hauptsächlich im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes zu beteiligen. Allein bei einem kurzfristigen Fraueneinsatz 1957 sollen angeblich 1,8 Mill. fälliger Lohngelder eingespart worden sein (40 v. H. aller Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren sind in Tageskindergärten untergebracht).

 

Als Gegenleistung wird den Frauen versprochen, sie könnten gleichberechtigt jede Position erreichen. Als Beispiele werden angeführt: Die Anzahl der weiblichen Richter stieg von 15 v. H. im Jahre 1950 auf 26,8 v. H. 1960; 23,3 v. H. aller Staatsanwälte sind Frauen, ebenso ein Viertel aller Abgeordneten der Volkskammer. In den Bezirks-, Kreis- und Gemeindetagen sollen 28.000 Frauen vertreten sein. Die Zahl der weiblichen Bürgermeister stieg von 270 im Jahre 1950 auf 800 im Jahre 1960. Häufig ist die Förderung und Beförderung von Frauen auf die Spekulation der verantwortlichen Funktionäre zurückzuführen, Frauen, besonders junge Mädchen, ohne ausreichende politische Bildung und Erfahrung, wären eher bereit als Männer, die Weisungen der SED kritiklos hinzunehmen und zu verwirklichen. Als Abgeordnete in den verschiedenen Körperschaften sind sie ohnehin ohne jeden politischen Einfluß, genauso wie ihre männlichen Kollegen. In den entscheidenden Herrschaftsorganen der SBZ ist der Anteil der Frauen fast ebenso gering wie in der Bundesrepublik. Unter den 14 Mitgl. des SED-Politbüros befindet sich keine Frau, zwei Frauen, Edith ➝Baumann und Luise ➝Ermisch, sind Kandidat des Politbüros, allerdings ist Luise Ermisch als Direktorin eines Bekleidungswerkes nur eine Repräsentationsfigur. Das Sekretariat des ZK der SED ist ausschließlich mit Männern besetzt. Der SBZ-Regierung gehört lediglich eine Frau, Justizminister Hilde ➝Benjamin, an.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1960: S. 148


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.