DDR von A-Z, Band 1960

Laienkunst (1960)

 

 

Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

Die „allseitige künstlerisch-schöpferische Betätigung des werktätigen Volkes“, die „Wesenszug des neuen sozialistischen Menschen“ werden soll, wird in der SBZ ebenso wie in der SU in weitestem Umfange den Zwecken der Agitation und Propaganda dienstbar gemacht.

 

Nach der Entschließung der Kulturkonferenz 1960 des ZK der SED sollen jene „neuen Formen“ der L. gefördert werden, „in denen das Erlebnis des gemeinsamen sozialistischen Arbeitens, das moralische Antlitz des neuen Menschen seinen künstlerischen Ausdruck im Schreiben, Malen, Zeichnen, Musizieren, Komponieren, Filmen, Fotografieren finden“. Vor allem Laienspiel, Tanz und Kabarett, aber auch Sprechchor und Chorgesang fördern in den von Staat und Partei protegierten Arbeitsgemeinschaften die Vergesellschaftung des Gemeinschaftserlebens, in Stoffen von plumpester Tendenz die ideologische Ausrichtung auf die Politik des sowjetisch geführten Ostblocks und den Fünf- bzw. Siebenjahrplan. Da auch die „Berufskunst“ (Kunstpolitik) den gleichen Zwecken zu dienen hat und dem Dilettantismus breiten Raum gewährt, sind die Grenzen zwischen Kunst und L. kaum mehr erkennbar, sie werden im Gegenteil durch die „Bewegung der schreibenden Arbeiter“ (Bitterfelder Konferenz) und ähnliche Aktionen bewußt verwischt. Auch der Unterschied von L. und Volkskunst, die ihrem Wesen nach nicht manipulierbar und politisch verwertbar ist, wird unterdrückt, die L. sogar meist als Volkskunst bezeichnet. Sowjetische Werke und Vorbilder beherrschen die Programme der laienkünstlerischen kulturellen Massenarbeit, zwischenbetriebliche, innerdeutsche (Arbeiterfestspiele) und internationale Wettbewerbe (diese vor allem im Rahmen der sog. Weltjugendfestspiele) dienen der Kontrolle des „gesellschaftlichen Effektes“. — „Die wachsende Volkskunstbewegung verlangt eine koordinierte straffe Leitung“; ein Zentralhaus für Volkskunst in Leipzig hat die Aufgabe, „die schöpferischen Kräfte der Massen zu entfalten“, Gruppen- und Zirkelleiter zu schulen, „fortschrittliche“ Liederbücher, Theaterstücke usw. herauszubringen und die „ideologische und organisatorische Tätigkeit“ durch die Monatsschrift „Volkskunst“ zu unterstützen. Preise und Titel für Laienkünstler sollen eingeführt werden. Dem Zentralhaus unterstehen eine Schule für Volkskunst [S. 235]in Colditz (Sa.) und seit dem 1. 4. 1956 ein Institut für Volkskunstforschung in Leipzig, das von einem Wenden geleitet wird und das sprachliche und musikalische Volksschaffen sowie den Volkstanz erforschen soll. (Betriebskultur, Agitprop-Gruppen, Volkskunstschulen, Volksmusikschulen)


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1960: S. 234–235


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.