DDR von A-Z, Band 1960

Rückkehrer (1960)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

Der großen Zahl von Flüchtlingen, die nach der Bundesrepublik einwandern, steht eine gewisse Anzahl von R. nach der SBZ gegenüber. Meistens handelt es sich dabei um Personen, die aus irgendwelchen Gründen im Bundesgebiet wirtschaftlich nicht Fuß fassen konnten, oder um solche, die aus familiären Anlässen in die SBZ zurückkehren. Auch abenteuerlustige, z. T. asoziale Jugendliche befinden sich darunter. Nachdem die SBZ-Verwaltung in den Jahren 1953/54 angekündigt hatte, daß R. wegen der Abwanderung aus der SBZ bei der Rückkehr keine Nachteile haben würden, stieg die Zahl der R. etwas an. Nach dem Inkrafttreten des Paßänderungsgesetzes vom 11. 12. 1957 (Paßwesen) wurden gegen Flüchtlinge wegen Verstoßes gegen dieses Gesetz Strafverfahren und Fahndungsmaßnahmen eingeleitet. Den R. erwartete also in der SBZ ein Strafverfahren wegen Republikflucht. Dadurch wurden die Bemühungen der „DDR“, die Flüchtlinge zur Rückkehr zu bewegen, gestört. Im Oktober 1958 wurden deshalb auf Anweisung des Justizministeriums diese Fahndungsmaßnahmen gegen Flüchtlinge eingestellt (während die Strafverfahren wegen versuchter Republikflucht mit unverminderter Schärfe fortgesetzt wurden). Durch Rundfunk und Presse wurden die Flüchtlinge zur Rückkehr aufgefordert mit dem Versprechen, daß niemand wegen Republikflucht bestraft werde, der durch seine Rückkehr aus der „NATO-Basis in den Staat der Arbeiter und Bauern eine grundlegende Wandlung seines Verhaltens zeige, die erwarten lasse, daß er künftig die sozialistischen Gesetze achten werde“. Gegen R. wird seitdem nur noch in besonderen Fällen ein Strafverfahren eingeleitet. Soweit hier nicht schon eine vor der Flucht angeblich begangene Straftat den Vorwand bietet, wird diesen R. vorgeworfen, durch die Meldung im westlichen Notaufnahmelager Spionage oder staatsgefährdende Hetze begangen zu haben. Alle R. aber werden eingehend politisch durchleuchtet. In diese Überprüfung ist auch der Staatssicherheitsdienst eingeschaltet, der die Gelegenheit wahrnimmt, die unter einem gewissen Druck stehenden R. zu Spitzeldiensten (Spitzelwesen) zu nötigen. Viele der R. übersiedeln ein zweites Mal nach der Bundesrepublik, weil ihre Hoffnungen bezüglich Arbeitsstelle, Lohn, Wohnung usw. nicht erfüllt werden. — Die Zahl der R. kann nicht genau ermittelt werden, da viele von ihnen ohne behördliche Abmeldung das Bundesgebiet verlassen. Sicher ist aber, daß die von Zeit zu Zeit in der SBZ-Presse veröffentlichten Angaben viel zu hoch gegriffen sind. Amtliche Stellen in der Bundesrepublik schätzen, daß auf 10 Flüchtlinge höchstens ein R. entfällt.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1960: S. 353


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.