Kohlenindustrie (1960)
Siehe auch:
- Kohleindustrie: 1979
a) Steinkohle.
Die SBZ verfügt gegenüber der Bundesrepublik nur über geringe Steinkohlenvorkommen. Die erschlossenen und gewinnbaren Vorräte betragen nur noch etwa 37 Mill. t. Bei dem bisherigen Abbauumfang reichen die Vorräte noch für etwa 8 Jahre aus.
Der erste Fünfjahrplan sah eine Fördersteigerung bei St. auf jährlich 3,8 Mill. t vor. Dieses Ziel war nicht erreichbar. Tatsächlich sind 1954 nur 2,6 Mill. und bis 1959 jährlich rd. 2,8 Mill. t gefördert worden.
Diese Eigenförderung der SBZ deckt nicht einmal ein Drittel des Bedarfs. Zur Versorgung der Industriebetriebe, die nicht auf Braunkohle ausweichen können (z. B. Eisen- und Stahlwerke, Werke der Baustoff- und der chemischen Industrie, ferner die Gaswerke), sind deshalb Einfuhren an Steinkohle oder Steinkohlenkoks erforderlich.
In den letzten Jahren wurden jährlich etwa 8 bis 9 Mill. t importiert. Zur Verminderung der Einfuhrabhängigkeit bei Steinkohlenkoks für metallurgische Zwecke wurde in Lauchhammer bei Riesa eine Großkokerei errichtet, in der nach neuartigem Verfahren Braunkohlenhartkoks erzeugt wird. Dieser Hartkoks ist jedoch bisher nur als Beimischung zu Steinkohlenkoks verwendbar. Die Versuche zur Verbesserung dieses Hartkokses sind noch nicht abgeschlossen. Im Siebenjahrplan wird Steinkohle nicht als Planposition erwähnt; [S. 205]wahrscheinlich will man vermeiden, offen zuzugeben, daß die Förderung naturbedingt absinkt. — Im Steinkohlenbergbau der SBZ ereignete sich im Februar 1960 eines der schwersten Grubenunglücke, wobei 151 Bergleute den Tod fanden. Westliche Fachleute erklärten nach Veröffentlichung sowjetzonaler Berichte, daß als Ursache mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Vernachlässigung der bergbaulichen Sicherheitsmaßnahmen durch die Behörden anzunehmen sei (Oberste ➝Bergbaubehörde).
b) Braunkohle. Das Gebiet der SBZ ist verhältnismäßig reich an Braunkohlenvorkommen. Die erschließbaren Vorräte werden auf 24 Milliarden t geschätzt, davon im Tagebau abbaubar 22 Milliarden t. 1958 entfielen zwei Drittel der deutschen Braunkohlenförderung auf das Gebiet der SBZ, 1959 etwas mehr als die Hälfte. — Nach dem Einmarsch der Sowjetarmee begannen umfangreiche Demontagen (Reparationen). Sie betrugen im Braunkohlenbergbau annähernd 40 v. H., in den Brikettfabriken etwa 37 v. H. der Erzeugungskapazitäten. Der Wiederaufbau ging trotz größter Materialschwierigkeiten verhältnismäßig rasch vonstatten:
Das Ansteigen der Förderung ist wesentlich auch auf die Einführung der Sonntagsarbeit im Bergbau zurückzuführen. Der Bergmann hat nur an jedem 5. Sonntag frei.
Trotz beträchtlicher Braunkohlenförderung war das Gebiet der SBZ bereits vor 1945 Kohlenzuschußgebiet. Nach dem Zusammenbruch und der Spaltung Deutschlands erhöhte sich der Zuschußbedarf. In der SBZ müssen 90 v. H. der Elektroenergie mangels anderer Primärenergieträger aus Braunkohle erzeugt werden. Für viele Industriezweige ist Braunkohle unentbehrlicher Rohstoff. Da Steinkohlenzufuhren wegfielen, mußten Industrie und Reichsbahn sich weitgehend auf Braunkohle umstellen. Braunkohle gehört aber auch zu den attraktivsten Ausfuhrgütern der SBZ. Die Bundesrepublik und West-Berlin beziehen im Interzonenhandel beträchtliche Mengen. Braunkohle ist in der SBZ noch immer streng bewirtschaftet. An letzter Stelle in der Rangfolge der Belieferung steht der Bevölkerungsbedarf, der zu einem erheblichen Teil mit Braunkohlenabfällen und Torf nur unzulänglich gedeckt wird.
Von sowjetzonalen Fachleuten wurde erklärt, daß die Entwicklung in der Kohlenindustrie der allgemeinen Bedarfssteigerung in der Industrie nicht zu folgen vermag. Die Energielücke vergrößert sich ständig (Energiewirtschaft). Es sei deshalb erforderlich, die Ausnutzung der Atomenergie in die Wege zu leiten. Bis Ende 1970 sollen neue Atomkraftwerke einen Teil der herkömmlichen Kraftwerke ersetzt haben. — Die Braunkohlenförderung wird indessen auch im Siebenjahrplan forciert. Bis 1965 ist gegenüber 1958 eine Fördersteigerung um 25 v. H. geplant.
Literaturangaben
- Karden, Erich: Der Bergbau in der sowjetischen Besatzungszone. (Mat.) 1954. 44 S. m. 13 Anlagen.
- *: Der Kohlenbergbau und die Energiewirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands im Jahre 1955 und nach der Planung 1956/60. (FB) 1957. 91 S. m. 5 Anlagen.
- *: Die Kohlenindustrie in der sowjetischen Zone. (BB) 1951. 39 S. m. 11 Tab. u. 1 Beilage.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1960: S. 204–205