DDR von A-Z, Band 1960

Presse (1960)

 

 

Siehe auch:


 

Die P. ist im kommun. Bereich eines der wichtigsten Mittel zur Massenbeeinflussung (Propaganda und Parteipresse) und zur Verbreitung der kommun. Ideologie. Die gesamte P. ist Lizenzpresse, Lizenzerteilung: in den ersten Besatzungsjahren durch die SMAD, später durch das Amt für ➝Information, seit Jan. 1953 durch das Presseamt beim Ministerpräsidenten der „DDR“. Zeitungslizenzen erhalten ausschließlich die SED, die Massenorganisationen und die durch die Blockpolitik gleichgeschalteten Parteien. Einzige Ausnahmen: „Berliner Zeitung“ und „BZ am Abend“ — Herausgeber: Hermann Leupold, SED. Der „Berliner Verlag“, in dem beide Zeitungen erscheinen, befindet sich im Besitz der Holdinggesellschaft der SED Zentrag. Sprachregelung erfolgt mit Hilfe langfristiger „Perspektivpläne“, aus denen Quartals-, Monats- und Wochenpläne abgeleitet werden, und täglicher „Argumentationsanweisungen“. Zentrale Lenkungsinstanz ist die Abt. Agitation und Propaganda des ZK der SED, nachgeordnete Instanzen sind das Presseamt beim Ministerpräsidenten, die Presseabteilungen der zentralen Leitungen der Blockparteien und der Massenorganisationen und die entsprechenden Instanzen in den Bezirken. Die Einheit der Nachrichtenpolitik wird durch den ADN gewährleistet. Von der in der Verfassung der „DDR“ (Art. 9) proklamierten freien öffentlichen Meinungsäußerung kann keine Rede sein.

 

In der SBZ erscheinen 39 Tageszeitungen, davon 9 Tageszeitungen im Sowjetsektor Berlins. Die Höhe der Auflagen wird geheimehalten. Die Gesamtauflage aller Zeitungen dürfte mehr als 4 Millionen Exemplare übersteigen. Etwa 60 v. H. entfallen auf die Parteipresse der SED, 20 v. H. auf die Zeitungen der DBD, CDU, LDPD und NDPD, die restlichen 20 v. H. auf die Zeitungen des FDGB und der FDJ sowie die „Berliner Zeitung“ und die „BZ am Abend“. Bei den Auflagen der SED-Presse ist zu berücksichtigen, daß ganze Berufsstände zum Abonnieren von SED-Blättern verpflichtet sind und daß [S. 320]der Abonnentenkreis der „bürgerlichen“ Presse durch Papierzuteilung begrenzt wird.

 

So beläuft sich in der SBZ (ohne Berlin) bei 15 SED-Bezirkszeitungen die Zahl der Kreisausgaben auf 216, während 4 CDU-Bezirkszeitungen nur 18 Nebenausgaben, 4 LDP-Bezirkszeitungen 24 Nebenausgaben und 5 NDPD-Bezirkszeitungen 21 Nebenausgaben verzeichnen.

 

Inhaltlich unterscheiden sich die Zeitungen kaum. Der Nachrichtenteil unterliegt in gleicher Weise wie die redaktionellen Meinungsäußerungen der zentralen Lenkung. Auslandsmeldungen dürfen nur vom ADN übernommen werden. Neben den uniform-tendenziösen Nachrichten nehmen umfangreiche Leitartikel, mehrseitige Wiedergaben von Reden der Funktionäre und von Parteibeschlüssen, Kritik und Selbstkritik im Rahmen des kommun. Überwachungssystems, Anprangerungen nicht erfüllter Normen, Aufrufe zu Wettbewerben und Selbstverpflichtungen und gelenkte Leserzuschriften den Hauptraum der Zeitungen ein. Auch der kulturelle Teil wird von den Maximen der Partei her bestimmt.

 

Ebenso wie die Tagespresse sind die Wochen- und Monatszeitschriften der Massenorganisationen gelenkt. Sogar die Fach- und Sportpresse usw. besitzt einen umfangreichen politischen und ideologischen Teil.

 

Das Fehlen von objektiven Nachrichten und der eintönige Stil und Inhalt der sowjetzonalen Presse begründen ein starkes Bedürfnis nach westlicher Publizistik. Bezug und Besitz westlicher P. werden als Boykotthetze und „Hetze gegen die sozialistische Ordnung“ aufgefaßt und mit Zuchthausstrafen bedroht. Der journalistische Nachwuchs — soweit er nicht in die Kategorie der Volkskorrespondenten fällt — wird an der Fakultät für Journalistik der Universität Leipzig (Dekan: Prof. Dr. Hermann Budzislawski, SED) ausgebildet. Volontäre dürfen nicht mehr eingestellt werden. „Politisch bewährte“ Kräfte, die von Redaktionen eingestellt werden, müssen ihre Qualifikation in Prüfungen, die der Verband der deutschen Journalisten durchführt, nachweisen.

 

Literaturangaben

  • Richert, Ernst (zus. m. Carola Stern und Peter Dietrich): Agitation und Propaganda — das System der publizistischen Massenführung in der Sowjetzone (Schr. d. Inst. f. pol. Wissenschaft, Berlin, Bd. 10). Berlin 1958, Franz Vahlen. 320 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1960: S. 319–320


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.