Säuberungen (1960)
Siehe auch die Jahre 1959 1962 1963 1965 1966 1969
Seit Lenin 1921 erstmals für die KPdSU eine generelle Überprüfung der Mitgl. auf soziale und politische Herkunft, parteimäßiges Verhalten und Qualifikation anordnete, sind die S. bzw. die sog. Parteiüberprüfungen in allen kommun. Parteien und den von diesen abhängigen gesellschaftlichen wie staatlichen Organisationen Mittel zur Durchsetzung der jeweiligen Parteilinie gegen alle oppositionellen Mitgl. und Gruppen, zur hektischen Aktivierung der gesamten Mitgliedschaft und, durch die Bestrafung von „Sündenböcken“, Mittel, um den Unfehlbarkeitsanspruch der bolschewistischen Partei krampfhaft aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig benutzen die Parteiführer S., um sich persönlicher Widersacher oder politischer Opponenten jn der Führung zu entledigen. Eine besonders terroristische Variante erfuhren die S. in der SU nach der Ermordung des Leningrader Parteisekretärs Kirow am 1. 12. 1934. Von diesem Ereignis führt eine direkte Linie zu den Schauprozessen gegen ehemalige Partei-, Staats- und Armeeführer in der SU (KPdSU). Demgegenüber sind die S. in der BZ — von wenigen Ausnahmen abgesehen — unblutig verlaufen. Kriterien der S. in der SED waren vor allem die Einstellung der Parteimitgl. und Funktionäre zur SU und zum Titoismus, die Einstellung zu Walter ➝Ulbricht und seinem Kurs sowie zu den Normen der „Partei neuen Typus“. Dies schließt die Ablehnung aller demokratischen Gedanken, des sogenannten Sozialdemokratismus, des Revisionismus, des Nationalkommunismus wie auch aller nichtkommun. Wiedervereinigungskonzeptionen ein. (Wiedervereinigung)
Die erste S. in der SED wurde in den Jahren 1948/49 mit dem Ziel veranstaltet, „klassenfremde Elemente“ und antibolschewistische Gruppierungen aus der Partei zu entfernen. Die erste große S. jn der Parteiführung erfolgte im August 1950 mit dem Ausschluß der Funktionäre Merker, Bauer, Goldhammer, Kreikemeyer, Ende und weiterer („Noel-H.-Field-Affäre“). Zwei Monate später beschloß das ZK eine Überprüfung aller Mitgl. in der Zeit vom 15. 1. bis 30. 6. 1951. Nach offiziellen Angaben sind im Verlauf dieser S. 150.696 Personen aus der SED ausgeschlossen worden. Im Laufe der nächsten zwei Jahre wurden u. a. folgende Funktionäre in speziellen und kollektiven S. abgesetzt, gerügt, bzw. ausgeschlossen: Dahlem, Lohagen, Uschner, Lauter, Lena Fischer, Karl ➝Mewis, Wilhelm ➝Koenen. Nach dem Juni-Aufstand wurden, zum Teil unter der Beschuldigung der „Fraktionsmacherei“, Opfer von S.: Zaisser, Herrnstadt, Fechner, Jendretzky, Elli ➝Schmidt, Weinberger u. a.
Eine neue Säuberungswelle richtete sich nach dem Ungarn-Aufstand gegen Anhänger des Revisionismus (Harich, Bloch); im Zusammenhang mit dieser Aktion wurde im Oktober 1957 Paul ➝Wandel seiner Funktionen enthoben. Auf dem 35. Plenum des ZK im Februar 1958 richtete sich eine S. gegen die „parteifeindliche Gruppe Schirdewan, Wollweber und andere“ (Ziller, [S. 358]Dritter Weg). Wegen Unterstützung dieser Gruppe wurde Oelßner aus dem Politbüro ausgeschlossen, nachdem vorher Wollweber und Schirdewan aller Funktionen entbunden worden waren. Auch Selbmann wurde scharf angegriffen. — Neben den bereits genannten Funktionären sind seit der Gründung der SED aus dem Zentralsekretariat bzw. Politbüro entfernt worden: Ackermann, Beling, Buchwitz, Gniffke, Karsten, Käthe Kern, Helm. Lehmann, Otto Meier, Steinhoff. Prominenteste Opfer von S. im Staatsapparat sind: Dertinger, Hamann. S. haben auch in den übrigen SBZ-Parteien und in den Massenorganisationen wiederholt stattgefunden.
Literaturangaben
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1960: S. 357–358