DDR von A-Z, Band 1960

Konfliktkommission (1960)

 

 

Siehe auch:


 

Seit 1953 bestehen in den Betrieben und Verwaltungen mit mehr als 200 Beschäftigten obligatorisch, in den mit 20–200 Beschäftigten fakultativ, K. Sie hatten ursprünglich nur die Aufgabe, Arbeitsstreitigkeiten im Betriebe zu entscheiden. Sie setzten sich aus Mitgliedern zusammen, von denen je zwei von der Betriebsleitung und der BGL bestellt wurden. Ihre Beschlüsse mußten einstimmig gefaßt werden. Kam ein Beschluß nicht zustande, konnte das Arbeitsgericht angerufen werden. Eine unmittelbare Anrufung des Arbeitsgerichtes war ausgeschlossen, wenn eine K. in einem Betrieb bestand. Entscheidungen der K. konnten dagegen vor dem Arbeitsgericht angefochten werden.

 

Auf dem 4. Plenum des ZK der SED forderte Ulbricht auf, den K. größere Verantwortung und größere Rechte zu übertragen. Ohne gesetzliche Grundlage wurden daraufhin in vielen Betrieben erweiterte K. gebildet, die sich mit Verstößen gegen die sozialistische ➝Arbeitsmoral, gegen die Arbeitsdisziplin und mit kleineren kriminellen Delikten, die mit dem Betrieb in Zusammenhang standen, befaßten. Durch eine VO vom 1. 4. 1960 (GBl. I, S. 347) wurde sodann eine Richtlinie, die zwischen dem FDGB und der Staatlichen ➝Plankommission vereinbart war, bestätigt, gleichzeitig wurde die VO vom 30. 4. 1953 (GBl. I S. 695) aufgehoben. In die Zuständigkeit der K. fällt nunmehr die Entscheidung über Verstöße gegen die sozialistische ➝Moral und die Arbeitsdisziplin. Sie behandelt ferner Einsprüche gegen Disziplinarmaßnahmen der Betriebsleitung, Streitfälle mit der Sozialversicherung über kurzfristige Barleistungen (Sozialversicherungs- und Versorgungswesen) und mit der Kasse der gegenseitigen Hilfe. Wie bisher, entscheidet sie über Arbeitsstreitigkeiten im Betrieb. Ferner hat die K. über strafbare Handlungen zu entscheiden, soweit diese wegen ihres geringen Grades der Gesellschaftsgefährlichkeit nicht vor den Strafgerichten zu verhandeln sind (geringfügige Fälle von Diebstahl, Betrug, Unterschlagung zum Nachteil gesellschaftlichen Eigentums, Sachbeschädigung, leichte Körperverletzung, Beleidigung), unter der Voraussetzung, daß sie sich im Betrieb abspielten. Die K. kann nur Erziehungsmaßnahmen auferlegen, jedoch keine fristlosen Entlassungen anordnen oder Geld- oder Freiheitsstrafen verhängen.

 

Die K. werden von der Belegschaft gewählt. Sie können jetzt auch in halbstaatlichen Betrieben errichtet werden. Die Wahl erfolgt auf zwei Jahre und soll mit den Gewerkschaftswahlen koordiniert werden. Die K. sollen eine Stärke von fünf bis elf Mitgl. je nach der Größe und der Struktur des Betriebes haben. Die Beratungen der K. sind öffentlich und sollen im großen Kreis stattfinden. Auf jeden Fall sollen die Angehörigen des Kollektivs teilnehmen, die mit dem betreffenden Werktätigen zusammenarbeiten. Jeder Betriebsangehörige ist berechtigt, vor der K. seine Auffassung darzulegen. Im [S. 211]übrigen wird die Verhandlung völlig formlos geführt. Sie findet außerhalb der Arbeitszeit statt. Für die Entscheidung genügt jetzt eine Zweidrittelmehrheit. Beschlüsse in Arbeitsstreitigkeiten können weiter beim Kreisarbeitsgericht angefochten werden. Das gleiche gilt für Streitigkeiten mit der Kasse der gegenseitigen Hilfe. Beschlüsse in Sozialversicherungssachen können bei der Kreisbeschwerdekommission, Beschlüsse auf Erziehungsmaßnahmen können nur bei der BGL angefochten werden.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1960: S. 210–211


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.