DDR von A-Z, Band 1960

Selbstverwaltung, Kommunale (1960)

 

 

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959


 

Grundlage des gemeindlichen Verfassungsrechts blieb auch nach dem Zusammenbruch die Deutsche Gemeindeordnung. In einem Erlaß des Präsidenten der Provinz Sachsen vom 9. Aug. 1945 z. B. wird sie als geltendes Recht bezeichnet. Vom 1. bis 15. 9. 1946 fanden in den Ländern der SBZ zunächst Gemeindewahlen statt. Am 20. 6. 1946 folgten die Landtags- und Kreistagswahlen. Ende 1945 und Anfang 1947 traten sodann in den einzelnen Ländern Verfassungen, Kreisordnungen und Gemeindeordnungen mit übereinstimmendem Inhalt in Kraft. In allem ist die Selbstverwaltung der Kreise und Gemeinden ausdrücklich festgelegt. An dieser Rechtslage wurde in der Verfassung der „DDR“ nichts geändert (Art. 139, 142). Inzwischen waren aber ohne eine ausdrückliche Änderung der gesetzlichen Grundlagen bereits Maßnahmen zur Einschränkung des Rechtes der Selbstverwaltung getroffen worden. Die KWU-Verordnung vom 24. 11. 1948 und die Energiewirtschaftsverordnung vom 22. 6. 1949 (ZVOBl. S. 472) entzogen den Gemeinden bereits weitgehend die wirtschaftlichen Grundlagen. Immerhin konnte bis zum Gesetz über die „Reform des öffentlichen Haushaltswesens“ vom 15. 12. 1950 (Staatshaushalt) noch von einer formalen S. gesprochen werden. Mit diesem Gesetz wurde der einheitliche Staatshaushalt der „DDR“ eingeführt. Nachdem auch die für die gemeindliche Finanzwirtschaft ausschlaggebende Gewerbesteuer und Lohnsummensteuer durch § 13 des Gesetzes über den Staatshaushaltsplan 1951 vom 13. 4. 1951 (GBl. S. 283) auf die Republik übertragen worden waren, stand fest, daß die Gemeinden nicht mehr in der Lage waren, die ihnen als Selbstver[S. 371]waltungsaufgaben übertragenen Angelegenheiten zu erfüllen. Diese Entwicklung wurde durch die Verwaltungsneugliederung im Sommer 1952 weiter getrieben. Durch die „Ordnungen für den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Bezirke und Kreise“ vom 24. 7. 1952 (GBl. S. 621 und 623) sowie durch die „Ordnung über den Aufbau und die Aufgaben der Stadtverordnetenversammlungen und ihrer Organe in den Stadtkreisen“ vom 8. 1. 1953 ((GBl. S. 53) wurden die Landesverfassungen und die Kreisordnungen praktisch außer Kraft gesetzt. Nach diesen Ordnungen waren die bisherigen Organe der Gebietskörperschaften nur noch Organe der Staatsgewalt in den betreffenden Gebieten. Träger von Rechten war nicht mehr die Verbandseinheit, sondern das jeweilige staatliche Verwaltungsorgan in diesem Gebiet, der örtliche Rat, dem als Haushaltsorgan die Eigenschaft einer juristischen Person zugesprochen wurde. „Unter der Herrschaft der Arbeiter und Bauern entfällt jede Berechtigung zur Aufrechterhaltung dieser Formen (Anm.: Selbstverwaltungskörperschaften). Die örtlichen Räte sind Vertreter der einheitlichen demokratischen Staatsgewalt für ein bestimmtes Gebiet; ihnen übergeordnet sind die örtlichen Volksvertretungen einerseits als die höchsten örtlichen Organe der Staatsgewalt sowie die Verwaltungsorgane, die ihnen gegenüber weisungsberechtigt sind, andererseits. Es gibt keine Gebietskörperschaften als juristische Personen, die Räte sind staatliche juristische Person und als solche notwendig Verwalter des einheitlichen staatlichen Eigentums“ („Das Zivilrecht der DDR, Allgemeiner Teil“). Ihren rechtlichen Abschluß hat diese Entwicklung mit dem Gesetz „über die örtlichen Organe der Staatsmacht“ vom 17. 1. 1957 (GBl. I, S. 65) gefunden, das die bis dahin noch gültige Gemeindeordnung aufhob und die erwähnten Ordnungen neu zusammenfaßte. Nach § 5 dieses Gesetzes beruht der Aufbau der Organe der Staatsmacht auf dem Prinzip des demokratischen Zentralismus. Die Gesetze, Verordnungen und Beschlüsse der Volkskammer sowie die Beschlüsse des Ministerrates und der höheren Volksvertretungen sind für die unteren Volksvertretungen und ihre Organe absolut verbindlich. Beschlüsse unterer Volksvertretungen können durch die jeweils höheren Räte ausgesetzt und von den übergeordneten Volksvertretungen aufgehoben werden. Die örtlichen Räte sind doppelt unterstellt. Den örtlichen Organen der Staatsmacht werden zwar im § 6 des Gesetzes zahlreiche Aufgaben überwiesen, jedoch nicht zur selbständigen Erledigung im Rahmen der Rechtsordnung, sondern lediglich zur Vollziehung der von der Zentrale kommenden Weisungen.

 

Um hierbei eine völlig einheitliche Ausrichtung zu erreichen, wurde nach dem „Gesetz über die Rechte und Pflichten der Volkskammer gegenüber den örtlichen Volksvertretungen“ v. 17. 1. 1957 (GBl. I, S. 72) ein „Ständiger Ausschuß für die örtlichen Volksvertretungen“ geschaffen. Gegenüber den örtlichen Verwaltungsdienststellen wird diese einheitliche Ausrichtung durch das „Staatssekretariat für die Anleitung der örtlichen Räte“ gewährleistet (Ministerium des Innern). Der Kontrollapparat dieses Staatssekretariats ist im Juli 1960 mit dem neuen „Sekretariat des Ministerrates“ verbunden worden.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1960: S. 370–371


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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