
Flugzeugindustrie (1962)
Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1963 1965 1966
Seit 1952/53 bestand unter der Tarnbezeichnung „Objekt Sonnenstein“ in der Nähe von Pirna eine zentrale Entwicklungs- und Verwaltungsstelle für eine künftige sowjetzonale F., die im Frühjahr 1956 offiziell in „Verwaltung für Luftfahrtindustrie“ umbenannt und dem Amt für ➝Technik, dem Rüstungsamt der SBZ, unterstellt wurde. Gleichzeitig wurde in Dresden, Chemnitz und Schkeuditz die Errichtung von Flugzeugwerken begonnen. Im „Industriewerk Chemnitz“ wurden Triebwerke gefertigt. In den Dresdener Werken wurde der Nachbau von Flugzeugen des sowjet. Typs I L 14 aufgenommen, eines Kurz- und Mittelstrecken-Verkehrsflugzeuges für 18 bis 26 Passagiere. Die erste Maschine dieses Typs begann im Mai 1956 mit Probeflügen. Bis Ende 1959 wurden etwa 80 Maschinen fertiggestellt, die teils in den Dienst der sowjetzonalen Deutschen Lufthansa eingestellt, teils nach Bulgarien, Polen, Ungarn, Rumänien, China und Vietnam exportiert worden sind. Fast das gesamte Material für diese Produktion wurde aus der SU geliefert. Die sowjetzonalen Werke waren weitgehend nur Bearbeitungs- und Montagestellen.
Gleichzeitig mit der Fertigung der I L 14 wurden weitere Typen entwickelt und z. T. in die Produktion genommen.
Ende 1960 beschäftigte die F. rd. 25.000 Arbeiter und Angestellte. Der aus politischen Prestigegründen aufgenommene Flugzeugbau endete im Frühjahr 1961 mit einem Fiasko. Da bis dahin keine greifbaren Erfolge bei der Entwicklung moderner Flugzeugtypen erzielt werden konnten und andererseits die SU den Anspruch erhoben hatte, alleiniger Produzent für Flugzeuge im Rahmen der Produktionsabsprachen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe zu werden, gab die Staatliche ➝Plankommission die Anweisung zur Einstellung des gesamten Flugzeugbaus. Die vorhandenen Produktionseinrichtungen sollen auf die Herstellung von Maschinen und Apparaten umgestellt werden. Etwa 20 angearbeitete Flugzeuge des Typs B 152 wurden verschrottet; eine Anzahl Gasturbinen soll für die Erzeugung von Elektroenergie in den Spitzenbelastungszeiten eingesetzt werden; im Triebwerkbau werden gewisse Arbeiten weitergeführt, um Ersatzteile für die bisher hergestellten Flugzeuge vom Typ I L 14 liefern zu können. Es ist nicht ohne Interesse, daß die SU, kurz bevor der Einstellungsbeschluß in der SBZ gefaßt worden war, einen neuen Flugzeugtyp TU 124 in Dienst gestellt hat, der dem in der SBZ entwickelten Typ B 152 weitgehend gleicht. Die F. der SBZ hatte vorher von allen Entwicklungs- und Konstruktionsunterlagen Kopien an die SU abliefern müssen. Daß an eine Wiederaufnahme des Flugzeugbaus nicht gedacht wird, gent auch daraus hervor, daß die Fakultät für Luftfahrtwesen an der TH in Dresden ab 1. 8. 1961 aufgelöst ist.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Siebente, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1962: S. 135
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