DDR von A-Z, Band 1962

Historischer Materialismus (1962)

 

 

Siehe auch:


 

(Materialistische Geschichtsauffassung): Die Anwendung des Dialektischen Materialismus auf die Geschichte; für Marxisten-Leninisten Grundlage für das Verständnis und die Beurteilung aller historischen und geistigen Erscheinungen. Nach dem HM. hat die Entwicklung der Gesellschaft durch die Entstehung des Privateigentums an Produktionsmitteln von einer kommun. Urgemeinschaft zur Klassengesellschaft und damit zur Spaltung der Gesellschaft in Ausbeuter und Ausgebeutete geführt. Der Klassenkampf zwischen Unterdrückern und Unterdrückten wird als das bewegende Moment der geschichtlichen Entwicklung angesehen. Die den verschiedenen Gesellschaftsformen (Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus) innewohnenden Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen seien der Ausgangspunkt, um durch den Klassenkampf und die Revolution eine jeweils höher entwickelte Gesellschaftsform zu erreichen, ohne jedoch die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die der Klassengesellschaft innewohnenden Widersprüche zu beseitigen. Marx glaubte, der Kapitalismus werde an diesen Widersprüchen zugrunde gehen (Krise), an seine Stelle werde eine durch die proletarische Weltrevolution zu schaffende klassenlose kommun. Gesellschaft treten, in der jedwede Unterdrückung und Ausbeutung abgeschafft sind. Er ging allerdings davon aus, daß die klassenlose Gesellschaft nur bei höchstentwickelter Industrialisierung aller bedeutenden Länder möglich ist. Lenin sah vor und während des 1. Weltkrieges im Imperialismus die letzte Entwicklungsstufe des Kapitalismus und hielt damit die Zeit für die proletarische Weltrevolution ohne Rücksicht auf die Unterschiede im Stand der Industrialisierung für gekommen. Aus der Auffassung heraus, daß die durch die Oktoberrevolution in Rußland 1917 geschaffene neue Gesellschaft zusammenbrechen werde, wenn es nicht in anderen Ländern (und zwar vor allem hochindustriellen Ländern) gleichfalls — wie zunächst von ihm erwartet — zur Revolution käme, bemühte er sich, die Weltrevolution, vor allem in Europa, auszulösen (Komintern). Da der Erfolg ausblieb, stellte Stalin später, im Widerspruch zu Marx und Lenin, die These auf, der Aufbau des Sozialismus und der Übergang zum Kommunismus seien auch in einem einzelnen Lande möglich.

 

Der Glaube an die Weltrevolution wurde nicht aufgegeben, aber erklärt, sie erfolge nicht überall gleichzeitig, sondern erstrecke sich über eine lange historische Epoche.

 

Die SU habe das Proletariat anderer Länder in seinen Kämpfen gegen die bestehenden Gesellschaftsordnungen zu unterstützen. Daraus wurde auch die führende Rolle der KPdSU gegenüber anderen kommun. Parteien abgeleitet. Diese [S. 181]Auffassungen wurden durch den XX. Parteitag 1956, auf dem Stalin kritisiert wurde, nicht verworfen. (Marxismus-Leninismus, Stalinismus, Bolschewismus, Ostblock, Volksdemokratie, Linguistikbriefe, Koexistenz, Ökonomisches Grundgesetz, Freiheit)

 

Literaturangaben


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Siebente, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1962: S. 180–181


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.