DDR von A-Z, Band 1962

Interzonenverkehr (1962)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

a) Personenverkehr. Nach der Kapitulation mußten laut Beschluß des Kontrollrats alle Personen, die aus einer Besatzungszone in eine andere reisen wollten, einen durch die Besatzungsmacht ausgestellten Interzonenpaß besitzen. Während mit der Vereinigung der westlichen Besatzungszonen der Interzonenpaß dort wegfiel, wurde der I mit der SBZ, vornehmlich seit der Währungsreform und der Berliner Blockade, erheblich erschwert. Besucher aus der Bundesrepublik benötigen zusätzlich eine Aufenthaltsgenehmigung der sowjetzonalen Behörden, die von den in der SBZ wohnenden Angehörigen oder Freunden beantragt werden muß. Auch Reisende zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik benötigten auf Grund von Viermächteabmachungen in beiden Richtungen einen Interzonenpaß. Bis zum Juni 1953 wurden in der SBZ Interzonenpässe nur in Ausnahmefällen ausgegeben. Seit der Verkündung des Neuen Kurses entfaltete sich der reguläre I. zu beträchtlichem Ausmaß.

 

Der Interzonenpaßzwang wurde durch die Westmächte am 16. 11. 1953 aufgehoben. Die SBZ schloß sich diesem Schritt an mit der Einschränkung, daß bei Einreisen in die SBZ weiterhin eine Aufenthaltsgenehmigung erforderlich war, während Ausreisende für die Dauer ihrer Reise ihren Personalausweis gegen eine polizeiliche Personalbescheinigung umtauschen mußten. Nach den Ermittlungen der Paßkontrolldirektion der Bundesrepublik entwickelte sich der I. in der Zeit von 1953 bis Ende 1960 folgendermaßen (in abgerundeten Zahlen):

 

[S. 193]

 

 

In den Jahren 1954 bis 1957 blieb ein beträchtlicher und von Jahr zu Jahr zunehmender Teil der im I. Eingereisten in der Bundesrepublik (Flüchtlinge); von 1958 ab nahmen die meisten Flüchtlinge den Weg über Berlin.

 

Im Sommer 1957 steigerte die SED ihre Bemühungen, den Reiseverkehr in die Bundesrepublik einzudämmen, bis zu direkten Verboten von Westreisen für bestimmte Personengruppen (Studenten, Oberschüler, Angehörige von Staatsjugendorganisationen usw.). Ende 1957 wurde diese Maßnahme noch verschärft. Bis dahin waren nur Auslandsreisen ohne Genehmigung strafbar. Durch das „Gesetz zur Abänderung des Paßgesetzes“ vom 11. 12. 1957 (Paßwesen) wurde jedes Verlassen der „DDR“ ohne Erlaubnis, also auch die Reise in das Bundesgebiet und nach West-Berlin, unter Strafe gestellt. Wenn die Antragsteller Verwandte in der BRD hatten, die ohne polizeiliche Abmeldung die Zone verlassen halten, wurde die Ausreisegenehmigung versagt. Außerdem mußten Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Betriebe, in denen die Antragsteller tätig waren, vorgelegt werden. Es sind Fälle bekannt geworden, in denen der Bürgermeister und ein weiterer Bewohner die Bürgschaft für die rechtzeitige Rückkehr des Antragstellers in die „DDR“ übernehmen mußten.

 

Infolge dieser Maßnahmen ging der I. schlagartig zurück. Nur in den Hauptreisezeiten der folgenden Jahre war — wie aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich ist — eine geringe Zunahme gegenüber den monatlichen Reiseziffern des Jahres 1958 festzustellen.

 

 

Seit Frühjahr 1959 wurden die Anträge auf Erteilung von „Reisegenehmigungen“ nach der Bundesrepublik, den in allen Gemeinden gebildeten „Komitees für gesamtdeutsche Fragen“ zur Entscheidung vorgelegt. Sofern ein Angehöriger des Antragstellers aus der SBZ geflüchtet war, wurde der Antrag abgelehnt. In letzter Instanz entschieden die „Volkspolizei-Kreisämter“.

 

Der Reiseverkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin ist an sich im Potsdamer Abkommen geregelt. Nur die Interzonenzüge, die zugelassenen Autobahnen und die kontrollierten Luftkorridore dürfen benutzt werden. Im allgemeinen wickelte sich der Verkehr ohne Reibungen ab, doch kamen immer wieder Behinderungen und Schikanen durch die sowjetzonalen Organe an den Grenzübergangsstellen vor.

 

b) Güterverkehr. Er hat entsprechend der Entwicklung des Interzonenhandels ständig zugenommen. Aus der Sicht der Bundesrepublik ergibt sich für die letzten Jahre folgendes Bild:

 

[S. 194]

 

 

Außer diesen Gütermengen, die sich nur auf die im Rahmen des Interzonenhandelsabkommens transportierten Güter beziehen, werden beachtliche Gütermengen zwischen dem Bundesgebiet und West-Berlin befördert.

 

c) Vom Interzonenpostverkehr sind Geldsendungen und alle Warengattungen und -mengen ausgeschlossen, die als Handelsware gelten können. Merkblätter über den I.-Postverkehr sind bei allen Postämtern der BRD erhältlich.

 

Paketkontrollstellen in Berlin O 17, Erfurt, Leipzig, Halle, Magdeburg, Dresden, Schwerin und Plauen. Während der Jahre 1951 bis 1960 wurden weit über 352 Mill. Pakete und Päckchen aus der BRD und Berlin (West) nach der SBZ und den Sowjetsektor von Berlin verschickt. Etwa die Hälfte davon waren Pakete.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Siebente, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1962: S. 192–194


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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