DDR von A-Z, Band 1962

Klasse (1962)

 

 

Siehe auch:


 

Hinsichtlich ihrer Stellung im Arbeitsprozeß weithin konforme und mehr oder weniger durch das Bewußtsein dieser Konformität im Verhaltensstil mitgeprägte Menschengruppe. Vor allem durch Marx (Historischer Materialismus) und die moderne Arbeiterbewegung zu einem theoretisch wie geschichtlich wirksamen Element des Verständnisses und der Auseinandersetzungen der jüngeren abendländischen Geschichte geworden, haben die K. jedoch nach herrschender Auffassung der westlichen Soziologie mit der Fortentwicklung der industriellen Massen[S. 217]gesellschaft im 20. Jahrhundert als Wirk- wie Klassifizierungsprinzip wesentlich an Bedeutung verloren. — Der Bolschewismus ignoriert indes diese Entwicklung:

 

Nach Lenins auch heute noch anerkannter Definition sind K. „Menschengruppen, die sich voneinander unterscheiden nach ihrer Stellung in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und dem Umfang des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum, über den „sie verfügen“. In der modernen westlichen Industriegesellschaft gibt es nach bolschewistischer Auffassung nur zwei K., Bourgeoisie und Proletariat, daneben noch Gruppen, wie die Vertreter der „kleinen Warenwirtschaft“ — Händler, Handwerker, Kleinbauern —, die ebenso wie die „werktätige Intelligenz“ zwischen den K. stehen. Während der Bourgeoisie der bedingungslose Kampf des Proletariats gilt, haben die „kleinbürgerlichen“ und einzelbäuerlichen Zwischenschichten mehr oder weniger die Chance, als Verbündete des Proletariats im Klassenkampf angenommen zu werden. (Bündnispolitik); der auf die „Liquidierung der Bourgeoisie“ über die Diktatur des Proletariats und damit die Ermöglichung einer klassenlosen Gesellschaft abzielt. Neuerdings ist dieses relativ einfache Klassenschema für die „sozialistische“ Gesellschaft dadurch ins Wanken geraten, daß man in den Volksdemokratien von einer neu entwickelten „K. der Genossenschaftsbauern“ spricht, was seinen Grund in dem Umstand hat, daß hier das Eigentum an den Produktionsmitteln weder dem Staat (sog. Volkseigentum) noch dem einzelnen („Individualeigentum“) zukommt, sondern einem begrenzten Kollektiv. Während Stalin das genossenschaftliche Eigentum noch als ein unzulängliches Provisorium auf dem Weg zum vollen „Volkseigentum“ (als Voraussetzung der klassenlosen Gesellschaft) ansah, muß einstweilen offen bleiben, ob hier eine nur taktische und vorübergehende oder aber eine prinzipielle Korrektur vollzogen worden ist. In der Kommun. Gesellschaft sollen demgegenüber die K. definitiv aufgehoben und in die Einheit eines klassenlosen Volksganzen verschmolzen sein - ein Stadium, das die UdSSR nach dem im Okt. 1961 angenommenen 3. Parteiprogramm der KPdSU zwischen 1957 und 1980 in seinen Grundlagen zu erreichen trachtet. (Marxismus-Leninismus)


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Siebente, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1962: S. 216–217


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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