DDR von A-Z, Band 1962

Rückkehrer (1962)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

Von den zahlreichen Flüchtlingen kehren manche nach einiger Zeit aus familiären oder wirtschaftlichen Gründen in die SBZ zurück. Auch abenteuerlustige Jugendliche und asoziale Menschen, die häufig zwischen Ost und West hin- und herwandern, sind darunter. Die Zahl der R. kann nicht genau ermittelt werden, da viele ohne behördliche Abmeldung das Bundesgebiet verlassen. Die in der SED-Presse genannten Zahlen entbehren jeder Grundlage, sie dienen lediglich propagandistischen Zwecken. Amtliche Stel[S. 373]len in der Bundesrepublik schätzen, daß von 100 Flüchtlingen höchstens 10 in die SBZ zurückkehren. Viele der R. flüchten später erneut nach dem Westen, vielfach schon bald nach der Rückkehr wegen der eingehenden politischen Durchleuchtung. Der Staatssicherheitsdienst bemüht sich, die unter einem gewissen Druck wegen der früheren Republikflucht stehenden R. zu Spitzeldiensten zu nötigen (Spitzelwesen).

 

Die SED hat sich stets bemüht, Flüchtlinge zur Rückkehr und Bürger der Bundesrepublik zur Übersiedlung in die SBZ (Umsiedler) zu veranlassen, um die negativen Auswirkungen der Massenflucht aus der SBZ abzuschwächen und den Eindruck einer Fluchtbewegung aus der Bundesrepublik in die SBZ zu erwecken. Die Machthaber der SBZ haben deshalb schon 1953 nach Verkündung des Neuen Kurses den Flüchtlingen versprochen, daß ihnen bei freiwilliger Rückkehr keine Nachteile wegen ihrer Flucht erwachsen würden. Durch das Paßänderungsgesetz vom 11. 12. 1957 (Paßwesen), das die Republikflucht ausdrücklich mit Gefängnis bis zu 3 Jahren bedrohte, wurden diese Bemühungen gestört. Da den Flüchtling jetzt mit Sicherheit ein Strafverfahren erwartete, ging die Zahl der R. im Jahre 1958 merklich zurück. Im Oktober 1958 wurden deshalb auf Anweisung des Justizministeriums die zunächst gegen alle Flüchtlinge eingeleiteten Strafverfahren und Fahndungsmaßnahmen eingestellt. Durch Rundfunk und Presse wurden die Flüchtlinge zur Rückkehr aufgefordert mit dem Versprechen, daß niemand wegen Republikflucht bestraft werde, der durch seine Rückkehr aus der „Nato-Basis in den Staat der Arbeiter und Bauern eine grundlegende Wandlung seines Verhaltens zeige, die erwarten lasse, daß er künftig die sozialistischen Gesetze achten werde“. Gegen R. wird seitdem nur noch in besonderen Fällen ein Strafverfahren eingeleitet. Soweit hier nicht schon eine vor der Flucht angeblich begangene Straftat den Vorwand bietet, wird diesen R. vorgeworfen, durch die Meldung im westlichen Notaufnahmelager Spionage oder staatsgefährdende Hetze begangen zu haben.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Siebente, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1962: S. 372–373


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.