
Verteidiger (1962)
Siehe auch die Jahre 1960 1963 1965 1966 1969 1975 1979 1985
Während in der Bundesrepublik und in West-Berlin in Strafsachen jeder deutsche Rechtsanwalt auftreten kann, sind westdeutsche Rechtsanwälte an der Übernahme von Verteidigungen in der SBZ durch § 75 StPO gehindert: „Zu Verteidigern können alle in der Deutschen Demokratischen Republik zugelassenen Rechtsanwälte gewählt werden.“ Nur vier Westberliner Anwälte haben gleichzeitig die Zulassung für Ost-Berlin, nicht aber für die SBZ. Nach dem 13. Aug. 1961 ist die praktische Bedeutung dieser Zulassung erheblich geringer geworden.
Obwohl § 74 StPO ausdrücklich anordnet, „der Beschuldigte kann in jeder Lage des Verfahrens die Hilfe eines Verteidigers in Anspruch nehmen“, ist das Recht aur Verteidigung tatsächlich nicht gewahrt. Das beruht einmal auf verschiedenen prozessualen Bestimmungen (Strafverfahren), zum anderen auf der völlig veränderten Auffassung vom Wesen der Verteidigung und den Aufgaben der Rechtsanwaltschaft. Entscheidend für den V. in seiner praktischen Tätigkeit dürfen nicht etwa nur die Rechte des Angeklagten sein, sondern vor allem die „Interessen der Gesellschaft“. Der V. „hat den Angeklagten davon zu überzeugen, dem Gericht nur der Wahrheit entsprechende Erklärungen abzugeben“ (aus der „Konzeption für die Aufgaben der Rechtsanwaltschaft bei der Durchführung des Siebenjahrplanes“). Zwar soll der V. alles unterlassen, was die prozessuale Lage des Beschuldigten verschlechtert. „Dabei muß aber die Tätigkeit des V. von seinem und nicht vom Standpunkt des Beschuldigten her gesehen werden. Nicht selten wird der V. über das, was dem Beschuldigten nützt, gänzlich anderer Ansicht sein als der Beschuldigte. Hier muß die überzeugungs- und Erziehungsarbeit des V. einsetzen, um dem Beschuldigten dieses gegen sein eigenes Interesse verstoßende Verhalten klarzumachen“ („Neue Justiz“ 1960, S. 396).
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Siebente, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1962: S. 459
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