DDR von A-Z, Band 1962

Bewußtseinsbildung (1962)

 

 

Siehe auch die Jahre 1963 1965 1966


 

Die Bedeutung der B. ist in totalitären Herrschaftssystemen früher erkannt worden als in den Demokratien, und der Ausdruck B. entstammt daher auch ihrem Vokabular. Auch die totalitäre Diktatur sucht ihre Bestätigung und Legitimation im „Volkswillen“, veranstaltet zu diesem Zweck von Zeit zu Zeit akklamatorische Abstimmungen oder plebiszitäre Wahlen, muß aber deren Ergebnisse durch einen zentral gesteuerten Apparat der B., durch Polizeiterror und vielfach noch durch nachträgliche Fälschung manipulieren. Vielfältige Methoden der B. dienen dazu, die Bürger geistig und seelisch im Sinne des Machthabers derart zu formen, daß sie den ihnen vorgeschriebenen Denkstil annehmen und zu Urteilen und Entschlüssen kommen, die den Zielen der Regierung entsprechen.

 

In der SBZ wie in allen kommun. Staaten ist die Ideologie das wichtigste Instrument der B. Genau dosierte Kenntnisse über diese Ideologie zu verbreiten, ist Aufgabe aller Institutionen zur Schulung, insbesondere der Kader. Der Verbreitung der Ideologie und damit der B. dienen aber auch das Erziehungswesen, die Presse, der Rundfunk und das Fernsehen sowie im weiteren Sinne alle Arten von Agitation und Propaganda, zur B. gehört schließlich alles, was zur Festigung eines sozialistischen Bewußtseins und zur Ausrichtung eines jeden Bürgers der „DDR“ auf die Staats- und Parteiziele beitragen kann, z. B. Kunst und Literatur, das Filmwesen und Produktionspropaganda.

 

Die kommun. B. ist ihrem Wesen nach ausschließlich: sie schirmt darum die von ihr Erfaßten gegen Einflüsse anderer geistiger Herkunft ab, vermeidet echte Diskussion und ist intolerant und kritikfeindlich (Kritik und Selbstkritik). Erfolg oder Mißerfolg der kommun. B. sind nicht einheitlich zu beurteilen. Zweifellos ist es der SED bisher nicht gelungen, die kommun. Lehre in der Bevölkerung Wurzel schlagen zu lassen oder auch nur deren Vertrauen in die „Perspektiven“ ihrer Herrschafts- und Wirtschaftsordnung zu gewinnen. Dagegen hat die lang dauernde und nur sporadisch durch Informationen von außen durchbrochene totalitäre B. der Bevölkerung in gewissem Grade einen anderen Denkstil und andere politische Kategorien aufprägen können. Da viele Menschen bestimmte politische Begriffe überhaupt nur nach kommun. Definition kennen, bewegen sie sich in kommun. Kategorien auch dann, wenn sie gegen das Regime Stellung beziehen (vergl. insbesondere manche Flüchtlinge aus der „Intelligenz“!. Folge der kommun. B. ist auch, daß die Politisierung des gesamten Lebens hingenommen, ihr Fehlen im „Westen“ u. U. als Schwäche empfunden wird.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Siebente, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1962: S. 74


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.