DDR von A-Z, Band 1962

Menschenraub (1962)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1963 1965 1966 1969


 

Der Staatssicherheitsdienst hat mit Hilfe gedungener krimineller Elemente wiederholt das Verbrechen des M. begehen lassen, um SBZ-Flüchtlinge oder Personen, die in der Bundesrepublik oder in Berlin West aktiv gegen das Unrechtsregime in der Zone tätig waren, in die Hände zu bekommen. Die dabei angewendeten Methoden reichen bis zur Giftbeibringung und zum brutalen Überfall auf der Straße. Einige Opfer dieser Menschenraub-Aktionen des SSD sind inzwischen nach langjähriger Haft in den Westen zurückgekehrt und haben im einzelnen über die Taktik des SSD bei Vorbereitung und Durchführung des Menschenraubs berichtet (Alfred Weiland, Karl Wilhelm Fricke). öffentliche Gerichtsverhandlungen fanden nicht statt. Die West-Berliner Polizei hat seit Herbst 1949 allein 196 Fälle von M. im Auftrag des SSD registriert. Besonders schwere Fälle waren die Verschleppung des Journalisten Alfred Weiland (1950 in West-Berlin: Überfall auf der Straße), des Leiters der Abt. Wirtschaftsrecht im Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen, Dr. Walter ➝Linse (1952 in West-Berlin; Überfall auf dem Wege ins Büro), des Vors. der russischen Emigranten-Organisation NTS, Dr. Truchnowitsch (1954 in West-Berlin: Giftbeibringung in einer fremden Wohnung), des aus der SBZ geflüchteten ehemaligen SSD-Kommissars Silvester Murau (1955 aus der Bundesrepublik mit Hilfe der Tochter des Verschleppten), des ebenfalls aus der SBZ geflüchteten ehemaligen Inspekteurs der Volkspolizei Robert Bialek (1956 aus West-Berlin: Giftbeibringung in einer fremden Wohnung) und des Leiters der Abt. Wirtschaft im Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen, Dr. Erwin Neumann (1958 beim Segeln auf dem Wannsee in West-Berlin). Einige der im Auftrage des SSD tätig gewordenen Verbrecher wurden gefaßt und vom West-Berliner Landgericht verurteilt: Knobloch (Fall Dr. Linse) zu zehn Jahren Zuchthaus, Benter (Vorbereitung im Fall Dr. Linse) zu drei Jahren Gefängnis, Tietze und Horeis (Fall Murau) zu zehn und zwölf Jahren Zuchthaus.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Siebente, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1962: S. 284


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.