Interzonenhandel (1962)
Siehe auch:
- Außenwirtschaft: 1969
Bezeichnung für den Handel zwischen der Bundesrepublik und der SBZ. Während die drei Westzonen ziemlich schnell wieder zu einem einheitlichen Handelsgebiet zusammenwuchsen, entwickelte sich der Warenaustausch zwischen Westdeutschland und der SBZ nur unter erheblichen Schwierigkeiten und niemals völlig zu seinem früheren Umfang. Die sowjetzonale Seite begehrt in der Hauptsache strategisch wichtige Güter, wie Eisen, Stahl, hochwertige chemische Erzeugnisse (Stickstoffdünger), Maschinenbau-, Eisen- und Metallwaren und Qualitätslebensmittel aller Art einschl. Wein und Hopfen. Als Gegenlieferung ins Bundesgebiet sind Holz, Eisen- und Stahlwaren, Maschinenersatzteile, Zellstoff, Textilien, Lebensmittel (Zucker), Chemikalien, Mineralöl und vor allem Braunkohlenbriketts vorgesehen. Vertraglich geregelt wurde der I. in dem Mindener Abkommen (1946), dem Berliner Abkommen (1948), dem Frankfurter Abkommen (8. 10. 1949), seiner Verlängerung im Frühjahr 1951 (3. 2. 1951), dem Berliner Abkommen vom 20. 9. 1951 und den jährlich folgenden Vereinbarungen. Ab 1. 10. 1949 sind auch beide Teile Berlins in die I.-Vereinbarungen eingeschlossen. Nach dem Frankfurter Abkommen vom 8. 10. 1949 werden die Interzonengeschäfte über die Deutsche ➝Notenbank und die Deutsche Bundesbank abgewickelt, die Verrechnung von DM West zu DM Ost erfolgt im Verhältnis 1:1, d. h. 1 Deutsche Mark 1 VE (Verrechnungseinheit). Abgerechnet wird per Ende Juni jeden Jahres; etwaige Verrechnungsspitzen sind in DM West bar zu bezahlen. Der vertragliche I. wird in der SBZ durch das Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel (MAI) gelenkt. Die Bestimmungen für den Außenhandel werden auch auf den I. angewendet. Im Bundesgebiet ist die Bundesstelle für den Warenverkehr zuständig. Zölle werden im I. nicht erhoben. Der I. dient der sowjetzonalen Wirtschaft im wesentlichen dazu, Lücken zu schließen, die von Moskau und den anderen sozialistischen Ländern nicht geschlossen werden können. Er wird stark von der jeweiligen politischen Situation beeinflußt.
Mit der Vereinbarung vom 16. 8. 1960 über die Warenlisten für 1961 wurde erstmalig die einjährige Gültigkeitsdauer in eine unbegrenzte Laufzeit abgeändert; die SBZ war aus Planungsgründen an Abschlüssen über einen längeren Zeitraum interessiert.
Am 30. 9. 1960 wurde das I.-Abkommen wegen politischer Übergriffe der SBZ in Berlin von der Bundesrepublik zum Jahresende gekündigt, nach längeren Verhandlungen aber noch vor Ablauf der Kündigungsfrist wieder in Kraft gesetzt.
Das ungleich größere wirtschaftliche Interesse der SBZ an der Aufrechterhaltung des I. ist daraus zu ersehen, daß etwa 12 v. H. des Außenhandels der SBZ auf den I. entfallen, während der I. nur 2 bis 3 v. H. des Außenhandels der Bundesrepublik ausmacht.
Seit Ende 1960 arbeitet die SBZ mit großem Aufwand daran, Lieferungen aus der Bundesrepublik durch Eigenproduktion zu ersetzen, um der Widerrufsklausel der Warenbegleitscheine mit ihren Folgen für die Wirtschaft zu entgehen. Der Warenumsatz im I. betrug Ende 1957 rund 2 Mrd. DM einschließlich der Dienstleistungen.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Siebente, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1962: S. 192
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