DDR von A-Z, Band 1963

Arbeit (1963)

 

 

Siehe auch die Jahre 1965 1966 1969 1975 1979


 

A. ist in westlicher Sicht das „Mittel, mit dessen Hilfe die menschliche Gesellschaft sich die Außenwelt aneignet und sie im Sinn einer schöpferischen Anpassung umgestaltet“ (R. König). Im Marxismus-Leninismus werden demgegenüber Maß und Art der Teilhabe der Einzelnen und Gruppen (Klassen) an der Produktion durch A. und am Produkt der A. einseitig zum Hebel der Interpretation und Wertung der Geschichte der menschlichen Gesellschaft gemacht (Historischer Materialismus). In der Klassengesellschaft (Klasse) eigne sich der Eigentümer an den Produktionsmitteln im Prinzip die von den abhängig Tätigen, insbesondere Arbeitern, durch A. geschaffenen Werte über dasjenige Mindestentgelt hinaus an, das zur Erhaltung („Reproduktion“) der Arbeitskraft nötig sei — eine Kritik, die in keiner Weise die sozialökonomische Wirklichkeit der Wohlstandsgesellschaften der heutigen hochindustrialisierten westlichen Staaten trifft. Hingegen seien in der — dem Pj. nach — sozialistischen bzw. kommunistischen Gesellschaft die durch A. geschaffenen Werte im Prinzip Gemeingut, an denen der Einzelne in der „sozialistischen“ Gesellschaft nach dem Grad seines Beitrags — seiner „Leistung“ —, in der „kommunistischen“ Gesellschaft im Prinzip nach seinen Bedürfnissen teilhabe. Dabei wird A. grundsätzlich einmal als ein wesentliches Element der Würde des Menschen aufgefaßt, der sich nach Engels erst durch die gesellschaftlich vorgenommene aktive Bearbeitung der Natur — im Unterschied zu den Tieren — „hervorbringe“ - existentiell-anthropologischer Aspekt in Hinblick worauf kein fundamentaler Unterschied zur herrschenden westlichen Sozialpsychologie besteht, abgesehen von der Ausdeutung der sozialen Abhängigkeit, die nach westlicher Auffassung sehr wohl mit persönlicher Freiheit und mithin menschlicher Würde vereinbar sein kann; anderseits wird der ökonomische Aspekt der A. als Produktivkraft hervorgehoben, die nach marxistisch-leninistischer Auffassung in der Klassengesellschaft von den übrigen Produktivkräften, den Produktionsmitteln, insbesondere dem Kapital, durch das unterschiedliche Eigentumsverhältnis radikal getrennt sei („Entfremdung“), so daß nach dieser Deutung der Eigentümer der Produktionsmittel im Grunde keine A. leiste, sondern parasitär sei. Das Auseinanderfallen von A. und Produktionsmitteln werde demnach erst im Prozeß der bolschewistischen Vergesellschaftung aufgehoben und die beiden Seiten — Eigentümern und Arbeitenden — verlorengegangene Menschenwürde damit erst wiederhergestellt.

 

Die bisherige Praxis zeigt indes, daß sich im Bolschewismus die Ausbeutung nur verschoben hat, daß die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel in die Hand von Partei und Staat und nicht in die der Gesellschaft übergegangen ist (Staatseigentum) und daß die Trennung von A. und Kapital keineswegs überwunden ist.

 

Literaturangaben

  • Wetter, Gustav A.: Philosophie und Naturwissenschaft in der Sowjetunion (Rowohlts deutsche Enzyklopädie, 67). Hamburg 1958, Rowohlt. 195 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 27


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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