
KPdSU, Geschichte der (1963)
Siehe auch:
- KPdSU (B), Geschichte der: 1953
1. Fassung war der auf Veranlassung des ZK der KPdSU (B) 1936 begonnene „Kurze Lehrgang der Geschichte der KPdSU (B)“. Er fälscht bewußt viele Tatsachen und stellt die marxistische Revolutionsbewegung in Rußland und die bolschewistische Staatsentwicklung einseitig leninistisch-stalinistisch dar. Dieser Lehrgang wurde 1938 auf Anordnung Stalins nochmals nach den neuesten Parteirichtlinien umgeschrieben und seitdem mit jeder Änderung der Generallinie neu gefälscht. Die Mitverfasserschaft Stalins ist umstritten, doch kann ihm das Kapitel „über dialektischen und historischen Materialismus“ wohl mit Sicherheit zugeschrieben werden. Wurde bis zur Abkehr vom Stalinismus als „Bibel des Bolschewismus“ betrachtet. — Das Studium der G. d. KPdSU (B) war in der SBZ als wichtigster Teil der ideologischen Erziehung verbindlich. — Am 25. 2. 1956 verurteilte Chruschtschow, als er Stalin auf dem XX. Parteitag kritisierte, auch die G. d. KPdSU als Zeugnis des Personenkultes. Als untragbar wurde die Schrift sodann im Märzheft der „Woprosy istorij“ (1956, Nr. 3) abgelehnt. Diese Verurteilung übernahm „Neues Deutschland“ erst am 23. 5. 1956.
[S. 256]2. Fassung, „Geschichte der KPdSU“, erschien im Juni 1959. Sie folgt kaum der Kritik, die der XX. Parteitag geübt hatte, vielmehr bezeichnete sie den „Lehrgang“ als hervorragende Arbeit. Sie verurteilt nicht den Kern des Stalinismus: die gewaltsame, rasche Erzwingung des „Sozialismus“ durch die alles durchdringende totalitäre Staatsmacht, unter Verzicht auf die Vorstellung, der Sozialismus beruhe auf Freiwilligkeit. Auch rügt sie nicht die schon von Lenin erzwungene Ausschaltung der nicht-bolschew. Parteien, die durch die Verfassung der SU von 1937 bestätigt wird.
2. Fassung ändert einige Schwerpunkte der Periodisierung: sie betont die Entfaltung der Partei neuen Typus stärker, sie legt die Herausbildung der Grundgedanken des Marxismus-Leninismus nicht mehr nur an den frühen Schriften Lenins dar, sondern auch in seinen späteren. Doch verläßt sie nicht die Hauptlinie des Lehrgangs. Es wiegt wenig, daß die Partei stärker als kollektive Führungskraft erscheint, daß die Rolle wichtiger Stalinisten (Molotow, Kaganowitsch u. a.) geringer eingeschätzt wird, daß nach 1952 eine gewisse Chruschtschow-Linie sichtbar wird. Wenig bedeutet es, daß Stalin vorgeworfen wird, er habe den Weizen- und Maisanbau vernachlässigt und die Sowchos- wie Kolchos-Kräfte zu wenig am Ertrag beteiligt. Denn seine rücksichtslose Landwirtschafts-Kollektivierung wird bejaht.
Stalin wird nicht verurteilt wegen seiner gewaltsamen Politik an sich, wegen seines Terrors (der hingestellt wird als Beschränkung der innerparteilichen und sowjet. Demokratie, die im Kampf mit dem Klassenfeinde nicht zu vermeiden war). Er wird nur gerügt wegen seines Übermaßes an Schärfe, das sich auch gegen gutwillige, unschuldige Kommunisten und Parteilose richtete. Ihm wird vorgeworfen, er sei im Rausche jener Erfolge, die doch Partei und Volk errangen, in blinde Selbstüberhebung verfallen. Getadelt wird er auch, weil er die „sozialistische Gesetzlichkeit“ und den von Lenin geschaffenen Grundsatz der „kollektiven Führung der Partei“ mißachte. Doch wird behauptet, ein wesentlicher Teil der Verantwortung für diese Mißbräuche läge bei Jeschow und Berija. Doch weit stärker als der Tadel, den die 2. Fassung gegen den Personenkult für Stalin richtet, ist ihr Lob für seine Politik als solche. Sie rühmt Stalins Verdienst bei der Verteidigung des Leninismus nach 1924, seine Leistung im Kampf um die sozialistische Industrialisierung wie um die Kollektivierung der Landwirtschaft.
Am 22. und 24. 6. 1962 berichtete die „Prawda“ in zwei Aufsätzen, das „Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU“ bereite eine große sechsbändige „Geschichte der KPdSU“ vor. Die „Prawda“ hob hervor, das neue Werk werde die einzelnen Fehler und die despotische Willkür Stalins verurteilen. Doch erklärte sie in bedeutsamer Weise: „Die Verfasser der mehrbändigen Geschichte sind verpflichtet, besonders zu betonen, daß der Personenkult die Vorwärtsentwicklung der Sowjetgesellschaft zwar hemmte, jedoch nicht vermochte, sie zum Stehen zu bringen.“ Damit billigte das Chruschtschowsche ZK die Stalinsche Epoche im großen und ganzen.
Ganz eindeutig schreibt die „Prawda“ dazu: „Die trotzkistischen Kapitulanten versuchten mit Hilfe ‚linker‘ Phraseologie, die Arbeiterklasse ideologisch zu entwaffnen, indem sie behaupteten, der Sieg des Sozialismus in der UdSSR sei unmöglich …“ Doch die KPdSU, so heißt es über die Entwicklung unter Stalin weiter, „unentwegt dem von Lenin vorgezeichneten Weg folgend, wappnete die Werktätigen unserer Heimat mit dem unerschütterlichen Glauben an die Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus“.
Im Nov. 1962 erschien die „2. verbesserte Auflage“ der 1959 herausgekommenen „Geschichte der KPdSU“. In dem Aufsatz, den ihr die „Prawda“ am 15. 11. widmete, wird gesagt: „Die 2. Auflage …, in welcher der Grundinhalt der 1. Auflage erhalten blieb, wurde durch … das Programm der KPdSU und die Beschlüsse des XXII. Parteitages ergänzt“. In der 1. Auflage wird die Entwicklung der KPdSU seit dem XX. Parteitag (19.561 und „ihr Kampf um die Durchsetzung der Leninschen Generallinie“ ausführlich herausgearbeitet. Die 2. Auflage betont, das neue Parteistatut werde „jeden Rückfall in den Personenkult unmöglich machen“. — Aber auch sie verurteilt weder den Grundzug noch die Ergebnisse der Stalinschen Politik.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 255–256