DDR von A-Z, Band 1963

Lebensstandard (1963)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

Das allgemeine Niveau der Lebenshaltung in der SBZ hat sich in den letzten Jahren gehoben. Trotzdem besteht noch immer ein beträchtlicher Abstand von der Lebenshaltung in der BRD. Eine vierköpfige Familie der „gehobenen Verbrauchergruppe“ mußte z. B. Mitte 1961 für die Warenmenge, die dem Verbrauch einer entsprechenden Familie in Westdeutschland entsprach („Warenkorb“), 850,– DM Ost ausgeben, während dafür in der BRD nur 657,– DM West hätten aufgewendet werden müssen (Kaufkraft). Die Ostmarkkaufkraft einer solchen Familie in der SBZ mit mehreren Verdienern betrug also nur 77 v. H. der Kaufkraft einer entsprechenden Familie in der BRD. Dieser Vergleich läßt aber unberücksichtigt, daß die Durchschnittslöhne und -gehälter in der SBZ im Jahre 1962 rund 28 v. H. unter den Durchschnitts[S. 283]einkommen der westdeutschen Arbeitnehmer liegen (Lohnpolitik). Neben den Lebenshaltungskosten sind für den L. folgende Momente von Bedeutung. 1. Die Entwicklung zur Zentralverwaltungswirtschaft (Wirtschaft) hatte zur Folge, daß sich der L. mehr und mehr dem der SU annäherte, also die für diese Wirtschaftsordnung typischen Disproportionen und zeitlichen oder örtlichen Zerrungen aufweist. Das ideologisch bestimmte System der staatlichen Wirtschaftsplanung verursacht seinem Wesen nach immer wiederkehrende Versorgungslücken, die den L. der Zonenbevölkerung wesentlich beeinflussen.

 

2. Die kommun. Agrarpolitik führt dazu, daß Grundnahrungsmittel, auch solche, die das Gebiet früher im Überfluß erzeugte, häufig entweder gar nicht oder nur in unzureichenden Mengen erhältlich sind (z. B. Butter, Zucker, Fleisch).

 

3. Die Konsumgüterversorgung wird aus wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten immer noch quantitativ und qualitativ zugunsten des Produktionsmittelprimats vernachlässigt.

 

4. Eine dünne Schicht von Parteifunktionären, Angehörigen der Intelligenz und anderer Mangelberufe bezieht Löhne und Gehälter, die ein Mehrfaches der Durchschnittseinkommen ausmachen. Die Masse der Arbeitnehmer kann einen höheren L. auch nicht durch größere Leistungen erreichen, da die höheren Lohngruppen auf einen bestimmten Prozentsatz der Arbeiterschaft begrenzt sind und bei allgemeiner Verbesserung der Leistungen die Arbeitsnormen heraufgesetzt werden. (Produktionsaufgebot).

 

5. Das „Bildungsprivileg der Besitzenden“ ist mit Hilfe des Zulassungsverfahrens, eines reich dotierten Stipendien-Wesens und der allgemeinen Gesinnungskontrolle weitestgehend an „Arbeiter- und Bauernkinder“ übergegangen, die dafür Beschränkungen in der Berufswahl und im Berufsweg in Kauf nehmen müssen.

 

6. Kulturgüter sind erschwinglich, werden der Bevölkerung auch durch Besucherorganisationen und Verlagerung des „Kulturkonsums“ in die Betriebe (Erwachsenenbildung, Kulturpolitik, kulturelle Massenarbeit, Volkskunst, Laienkunst) nahegebracht, stehen aber weithin im Dienst der Produktionspropaganda und werden insoweit von der Bevölkerung abgelehnt.

 

7. Das System der sozialen Leistungen (Sozialversicherungs- u. Versorgungswesen) wird ebenfalls vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Steigerung der Arbeitsproduktivität und der Ausschöpfung aller Arbeitskräftereserven gehandhabt.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 282–283


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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