
Rückkehrer (1963)
Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1965 1966 1969 1975 1979
Die Machthaber bemühen sich seit Jahren, Flüchtlinge zur Rückkehr und Bürger der BRD zur Übersiedlung in die SBZ (Umsiedler) zu veranlassen, um die negativen Auswirkungen der Massenflucht abzuschwächen und den Eindruck einer Fluchtbewegung aus der BRD in die SBZ zu erwecken, über Angehörige und Bekannte sowie durch Rundfunk und Presse werden die Flüchtlinge zur Rückkehr aufgefordert mit dem Ver[S. 409]sprechen, daß niemand wegen Republikflucht bestraft werde, der durch seine Rückkehr aus der „Nato-Basis in den Staat der Arbeiter und Bauern eine grundlegende Wandlung seines Verhaltens zeige, die erwarten lasse, daß er künftig die sozialistischen Gesetze achten werde“. Gegen R. wird seitdem nur noch in besonderen Fällen ein Strafverfahren eingeleitet. Soweit hier nicht schon eine vor der Flucht angeblich begangene Straftat den Vorwand bietet, wird diesen R. vorgeworfen, durch die Meldung im westlichen Notaufnahmelager Spionage oder staatsgefährdende Hetze begangen zu haben.
Der mit großem Aufwand betriebenen Propaganda ist kein großer Erfolg beschieden. Die von der SED-Presse genannten Zahlen, die seit Jahren einen „ständig wachsenden Strom“ von R. beweisen sollen, entbehren jeder Grundlage. Erfahrungsgemäß bereuten viele R. sehr bald ihren unüberlegten Schritt und flohen später erneut nach dem Westen. Seit der Errichtung der Mauer gibt es diesen Ausweg auch für R. nicht mehr.
Wie die Umsiedler werden die R. in der SBZ zunächst in sogenannte Aufnahmeheime eingewiesen, in denen sie einer eingehenden politischen Überprüfung unterzogen werden. Hierbei ist vor allem der Staatssicherheitsdienst eingeschaltet, der viele der unter dem Druck einer möglichen Bestrafung wegen der früheren Republikflucht stehenden R. zu Spitzeldiensten zu nötigen sucht (Spitzelwesen). Außerdem wird eine Stellungnahme der früheren Heimatgemeinde eingeholt, ob der R. dort wieder erwünscht ist. Ist das nicht der Fall, so wird der R. wieder in die Bundesrepublik abgeschoben, falls nicht zunächst ein Strafverfahren für zweckmäßig gehalten wird.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 408–409
RTS | A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z | Rücklagenfonds der Volksvertretungen |