DDR von A-Z, Band 1963

Sozialfürsorge (1963)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

Rechtsgrundlage der S. war bis 31. 3. 1956 die VO vom 22. 4. 1947, erlassen auf Grund des Befehls 92 der SMAD. Seit 1. 4. 1956 gilt die VO über die Allgemeine S. vom 23. 2. 1956 (GBl. S. 233). Danach wird S. für alle hilfsbedürftigen Personen, einschließlich der Personen, die keine Zahlungen aus der Sozialversicherung erhalten, gewährt. Als hilfsbedürftig im Sinne der S. wird angesehen, wer den notwendigen Lebensbedarf für sich und seine arbeitsunfähigen Familienangehörigen nicht verdienen kann und wer keine ausreichenden Mittel von anderer Seite erhält oder erhalten kann. Als hilfsbedürftig gilt nicht, wer arbeitsfähig ist und eine zumutbare Arbeit ablehnt. Hilfeleistung aus den Mitteln der S. wird nicht gewährt in den Fällen, in denen der Hilfsbedürftige Einnahmen aus seinem Vermögen hat oder ihm eine Hilfeleistung in Höhe des für den betreffenden Ort festgesetzten Existenzminimums durch Dritte gewährt wird, die zum Unterhalt des Hilfsbedürftigen gesetzlich verpflichtet sind. Die S. wird durch die Räte der Gemeinden (Referate Sozialfürsorge in der Abt. Gesundheits- und Sozialwesen) gewährt. Die S. untersteht dem Ministerium für Gesundheitswesen, Hauptabt. Sozialwesen. Die Referate S. entscheiden über die Hilfsbedürftigkeit. Sie werden dabei von ständigen Kommissionen für Gesundheitswesen und S. unterstützt. Gegen die Ablehnung eines Antrages auf S. ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, das innerhalb von 2 Wochen beim Hauptreferat S. in der Abt. Arbeit und Berufsausbildung des Bezirkes eingelegt werden muß. Dieses hat über die Beschwerde innerhalb zweier Wochen zu entscheiden.

 

Die S. gliedert sich in den allgemeinen Rahmen der Arbeits- und Sozialpolitik ein, das heißt: auch sie wird in die Wirtschaftsplanung einbezogen: „Fünfjahrplan und S. stehen in engster Wechselbeziehung. Die erforderlichen Maßnahmen der S. werden bestimmt und weitestgehend beeinflußt vom Stand unserer demokratischen Wirtschaft. Wir können nicht einen Plan aufstellen, der die Zahl der Hilfsbedürftigen in der S. für die Plandauer um einen bestimmten Prozentsatz reduziert, aber wir müssen den Personenkreis der Hilfsbedürftigen in seiner Zusammensetzung dauernd nach Arbeitsfähigen und Arbeitsunfähigen überprüfen und kontrollieren, um sie den Organen für Arbeitskraftreserven in der Staatlichen Planung zur Kenntnis zu bringen“ („Arbeit und Sozialfürsorge“, S. 328/1951). Die S. ist daher nicht karitativ, sondern „produktiv“: „Sie unterscheidet sich grundsätzlich von dem Begriff der bisherigen Wohlfahrtspflege, indem sie sich zu einer produktiven Fürsorge entwickelt hat, deren erste Maßnahmen im Arbeitsamt beginnen. So stehen Berufsausbildung, Umschulung und der Arbeitsplatznachweis an vorderster Stelle fürsorgerischer Maßnahmen, die durch die Organe der Kreisverwaltungen angestrebt und durchgeführt wurden” („Arbeit und Sozialfürsorge“, 1951, S. 327). Die Barunterstützungen sind deshalb gering und betragen für Hauptunterstützungsempfänger 85,– DMark Ost, für ihre erwachsenen Angehörigen 30,– DM Ost, für ein Kind 35,– DM Ost monatlich. Eine Mietbeihilfe kann je nach Ortsklasse und Zahl der Familienangehörigen im Betrag von 25–40 DM Ost gewährt werden. Ab 1. Juni 1958 wird ein Zuschlag von 9 DM Ost (in Ost-Berlin 12 DM Ost) gewährt.

 

Nach der 1. Durchführungsbestimmung vom 24. 2. 1956 gilt als hilfsbedürftig, sofern er die sonstigen Voraussetzungen erfüllt: a) wer als Frau 60 Jahre, als Mann 65 Jahre alt ist, b) Invalide im Sinne der Sozialversicherung ist (Renten), [S. 435]c) wer arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, aber nachweisbar keine Arbeitsmöglichkeit hat, d) Frauen mit mindestens einem Kind bis zu drei Jahren oder mindestens zwei Kindern unter acht Jahren, wenn sie diese nicht durch Familienangehörige, in einem Kindergarten oder einer ähnlichen Einrichtung oder durch dritte Personen beaufsichtigen lassen können, e) Personen, die in ihrem Haushalt eine ständig pflegebedürftige Person versorgen müssen, sofern die Pflege nicht von einem Dritten übernommen werden kann. Auch hier wird, wie in der Sozialversicherung (Sozialversicherungs- und Versorgungswesen) die Tendenz deutlich, möglichst viele Menschen zur Arbeit zu zwingen. (Arbeitspolitik)

 

Das Referat S. betreut außer den Unterstützungsempfängern die Insassen von Alters-, Pflege- und Siechen- sowie Blindenheimen, für die ganz oder teilweise die Kosten der Heimaufnahme von den Angehörigen nicht getragen werden können. Die Bewohner der Heime erhalten neben Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung ein geringes monatliches Taschengeld. Auch die Betreuung der Haftentlassenen gehört zum Aufgabengebiet des Referats. Praktisch geschieht in dieser Beziehung sehr wenig. Die S. zahlt ferner an Arbeitslose Differenzbeträge bis zur Höhe der Fürsorgegesetze. (Arbeitslosenversicherung)

 

Literaturangaben

  • Mampel, Siegfried: Das System der sozialen Leistungen in Mitteldeutschland und in Ost-Berlin (BB) 1961. Teil I (Text) 150 S., Teil II (Anlagen) 142 S.
  • Mampel, Siegfried, und Karl Hauck: Sozialpolitik in Mitteldeutschland (Sozialpolitik in Deutschland, H. 48, hrsg. v. Bundesmin. f. Arbeit …). Stuttgart usw. 1961, Kohlhammer. 87 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 434–435


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.