DDR von A-Z, Band 1963

Versorgung (1963)

 

 

Siehe auch die Jahre 1965 1966 1969 1975 1979


 

Die Einzelhandelsumsätze (Handel) zeigen, daß die V. der Bevölkerung nicht die geplante Entwicklung genommen hat. Einer Zuwachsrate von 10,2 v. H. 1959 stand 1961 nur noch eine von 5,8 v. H. gegenüber. Nach einer allgemeinen Verbesserung des Niveaus der Lebenshaltung fiel die V. mit Lebensmitteln, Textilien und Industriewaren in den letzten Jahren und besonders 1960 derart zurück, daß man von einer permanenten Unter-V. der Bevölkerung sprechen kann. Das mangelhafte Warenangebot trug mit zu einem außerplanmäßigen Kaufkraftüberhang und damit automatisch zu weiteren Störungen in der V. bei, da diese Situation naturgemäß nicht nur zur Steigerung der Nachfrage, sondern auch zur Änderung der Nachfragestruktur führt. Systembedingt ist es aber dem Regime nicht möglich, die hierzu erforderlichen Warenfonds, sei es an Nahrungs- und Genußmitteln, sei es an gewerblichen Konsumgütern, kurzfristig bereitzustellen.

 

Der Rückfall in Mangelzustände, die man überwunden glaubte, [S. 499]führte auf dem Nahrungsmittelsektor zu Kundenlisten, Einkaufsbeschränkungen und Käuferschlangen. Neben den noch immer — 17 Jahre nach Kriegsende — bestehenden Kartoffelkarten (Lebensmittelkarten) wurde 1961 die Rationierung des Butterverbrauchs wieder eingeführt, zu der 1962 die Beschränkungen im freien Verkauf von Fleisch, Fleischwaren und Eiern kamen (Marktproduktion). Diese Lebensmittel werden nur auf „Stammkundenausweise“ ohne Anspruch auf eine bestimmte Menge abgegeben. Mit diesen sog. „Lenkungsmaßnahmen“ vermeiden die Machthaber die Wiedereinführung von Lebensmittelkarten, die der Bevölkerung wenigstens einen Anspruch auf eine festgesetzte Zuteilung sichern würden. Milch und alle Milcherzeugnisse sowie Südfrüchte, Genußmittel und Gewürze sind nach wie vor Mangelware. In den Gaststätten gibt es wöchentlich fleischlose Tage. In absehbarer Zeit ist auch nicht mit einer Verbesserung der Lebensmittel-V. der Bevölkerung zu rechnen, da nach sowjetzonalen Feststellungen 1963 die „Lenkungsmaßnahmen“ für Fleisch und Butter beibehalten werden müssen und erst bis 1970 die landwirtschaftliche Produktion so ausgeweitet sein soll, daß dann auf zusätzliche Lebensmittelimporte verzichtet werden kann, zu denen die SBZ wegen Devisenmangels schon heute nicht in der Lage ist.

 

Nach den Feststellungen auf dem V. Parteitag der SED müssen für 1960 allein zusätzlich 29.000 Pkw für den Export bereitgestellt werden, um zusätzlich Fleisch und Butter zur Sicherung der rationierten Grundnahrungsmittel der Bevölkerung der SBZ importieren zu können.

 

Auch auf dem Konsumgütersektor ist nach sowjetzonalem Eingeständnis zur Zeit eine bedarfsgerechte Befriedigung der Konsumentenwünsche nicht gegeben. Ungenügend ist das Angebot an Lederschuhen guter Qualität, Dekorationsstoffen, Teppichen und modischer Konfektion sowie an Haushaltgeräten aus Metall und Holz und Handwerkszeug. Viele technische Artikel wie Fernsehapparate, Kühlschränke, Waschmaschinen und Motorfahrzeuge aller Art können den Kundenbedarf bei weitem nicht decken und erfordern zudem Auslieferungszeiten von mehreren Jahren, da ein großer Teil dieser Produktion ohne Rücksicht auf den Lebensstandard der Bevölkerung in den Export geht. Hauptursache dieser V.-Mängel sind die unzureichende Rohstoffbasis und die mangelnde Kapazität der Konsumgüterindustrien, die durch das Produktionsmittelprimat in den kommun. Ländern bedingt ist. Selbst wiederholte Umstellungen in dem überwiegend verstaatlichten Handelsapparat konnten die organisatorischen Unzulänglichkeiten im Verteilernetz nicht beseitigen und einen zeitlichen und örtlichen Ausgleich der knappen Waren sichern. Seit Anfang 1960 läuft ein Programm der tausend kleinen Dinge des täglichen Bedarfs, das auch eine Verbesserung der seither vernachlässigten Reparaturen und Dienstleistungen durch Erhöhung der Reparaturkapazitäten von Industrie und Handwerk einschließt. Für Dienstleistungen des Alltags wie z. B. Wäsche und Schuhreparaturen reichten die bestehenden Dienstleistungsbetriebe nicht aus. Zur Entlastung wurden hauswirtschaftliche Dienstleistungskombinate (Kombinat) und Waschstützpunkte eingeführt, um die Unmöglichkeit einer Belieferung der einzelnen Haushaltungen z. B. mit Waschmaschinen zu verdecken. Als Annahmestellen fungieren die Verkaufsstellen des sozialistischen Handels. Bis heute wurde aber noch keine nennenswerte Erleichterung in der V. auf diesem Wirtschaftssektor erreicht.

 

Zum besseren Überblick über den Gesamtkomplex der V. der Bevölkerung wurde bei den örtlichen Staatsorganen der V.-Plan geschaffen, der u. a. eine Zusammenfassung der einzelnen Planteile im Handelssektor bringt. Er ist Bestandteil des Volkswirtschaftsplanes und umfaßt schwerpunktmäßig die vier Planteile: Nahrungsgüter, Industriewaren, Reparaturen und Dienstleistungen. Die Produktionsaufkommen aus Industrie, Handwerk und Landwirtschaft werden darin der Anforderung des Handels unter Berücksichtigung des vorhandenen Transportraumes gegenübergestellt und abgestimmt. Inwieweit diese Maßnahme eine Besserung in der V. der Bevölkerung bringt, bleibt abzuwarten. Bisher hat jedenfalls ganz allgemein die staatliche Planwirtschaft der kommun. Länder nur unzulänglich die mannigfachen Konsumentenwünsche befriedigen können.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 498–499


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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