DDR von A-Z, Band 1963

WGB (1963)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1965 1966 1969 1975


 

Abk. für Weltgewerkschaftsbund. Seit 1941 wünschten linke englische Gewerkschafter, den „Internationalen Gewerkschaftsbund“ von 1901 durch einen neuen Verband einschließl. der Gewerkschaften der SU zu ersetzen. Febr. 1945 tagte die 1., Okt. 1945 die 1. Weltgewerkschaftskonferenz, die aus 56 Ländern den WGB gründete nur die CIO (Congress of Industrial Organisation) der USA blieb fern. Juli 1949 wurden die „Internationalen Gewerkschaftsvereinigungen“ als Repräsentationen der 12 Berufsabt. beschlossen. Der französische Kommunist Louis Saillant wurde Generalsekr. des WGB. Nach 4 „Interzonen-Konferenzen“ nahmen deutsche Gewerkschaftler Juni 1947 erstmals an WGB-Tagung teil: Aufnahme der Deutschen von Bildung einer „gesamtdeutschen Gewerkschaftsvertretung“ abhängig gemacht. Wegen der kommun. Herrschaft im WGB sprengten die DGB-Vorsitzenden Tarnow und Boeckler die 9. Interzonen-Konferenz (Aug. 1948), doch kam der FDGB Jan. 1949 in den WGB. Im selben Monat verließen Amerikaner, Engländer und Holländer den WGB, da sie ihn als kommun. Tarnorganisation erkannten, und gründeten den „Internationalen Bund freier Gewerkschaften“ (IBFG), der alle Gewerkschaften der freien Welt, auch den DGB, umfaßt.

 

Oberstes Organ ist der WGB-Kongreß, der eile 2 Jahre tagt und den jährlich zusammentretenden Generalrat wählt; diesen vertritt das Exekutivkomitee, dem u. a. Herbert ➝Warnke vom FDGB angehört. Der WGB ist tatsächlich, wie der Weltfriedensrat, eine getarnte Ersatzorganisation der offiziell aufgelösten Komintern. Präs. des WGB: der italienische Kommunist Renato Bitossi, Generalsekr.: Saillant. Sitz des WGB ist seit 1956 Prag. — Auf dem V. Kongreß, Dez. 1961, sollen [S. 525]120 Mill. Mitgl. vertreten gewesen sein, dazu 23 Mill. Mitgl. solcher Gewerkschaften, die dem WGB nicht angehören.

 

Febr. 1956 wies die österreichische Regierung die Zentrale des WGB aus Wien aus, da er einseitig prosowjetisch arbeitete. April 1959 nahm er z. B. gegen den „deutschen Militarismus“ der BRD und die NATO Stellung, ohne die Angriffsrüstung der SU zu kritisieren.

 

Febr. 1961 betonte das Exek.-Kom. die „Prinzipien des WGB … Klassenkampf und proletarischen Internationalismus“ (s. „Neues Deutschland“, 4. 2. 1961) und machte sich die Angriffe der SU gegen NATO und BRD zu eigen, s forderte stärkere Bemühung um außereurop. Arbeiter, tarnte jedoch das Ziel (Diktatur des Proletariats) in der üblichen Weise mit der Formel „Nationale Demokratie“. — Eine in Ost-Berlin tagende Konferenz des WGB trat im Sept. 1961 für die Mauer und den von der SU geforderten Friedensvertrag mit Deutschland ein.

 

Auf dem V. WGB-Kongreß in Moskau (4.–15. 12. 1961) versuchte der langjährige Präsident Novella den starr zentralistischen Aufbau und die stalinistisch harte Taktik des WGB aufzulockern, um den Kampf für den Kommunismus zu erleichtern und zu wirklicher Aktionseinheit zu kommen. Notwendig sei ein sachliches, von gehässigen Anwürfen freies Verhältnis zu den nichtkommun. Gewerkschaften. Er stützte sich auf den kommun. gelenkten, aber z. T. aus linken Sozialisten (um Nenni) bestehenden Allg. Italienischen Gewerkschaftsbund (CGIL).

 

Obwohl Novella auf Formeln des XXII. Parteitages der KPdSU hinwies und dem Zug zum Polyzentrismus folgte wurde er von dem moskauhörigen Apparat des WGB totgeschwiegen und abgewählt. Sein Nachfolger wurde der linientreue italienische Altkommunist Bitossi. — Sein Zusammenspiel mit dem Sowjetimperialismus verschleierte der WGB in einer Entschließung, die er auf dem V. Kongreß annahm. Darin verlangte er vor allem Koexistenz und verurteilte Militarismus und Kolonialismus (nichtsowjetischer Provenienz).


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 524–525


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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