Enteignung (1963)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1965 1966 1969 1975 1979 1985
Nach Art. 25 der Verfassung dürfen E. nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage gegen angemessene Entschädigung vorgenommen werden, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. In einigen E.-Gesetzen ist eine Entschädigung vorgesehen (Aufbaugesetz). Diese Ansprüche stehen jedoch oft nur auf dem Papier. Der Mißbrauch des Eigentums hat nach Art. 24 grundsätzlich entschädigungslose E. und Überführung in das Eigentum des Volkes zur Folge. Private wirtschaftliche Unternehmen, „die für die Vergesellschaftung geeignet sind“, önnen enteignet werden. Alle Bodenschätze, Naturkräfte, Bergwerke sowie die Betriebe der Eisen- und Stahlerzeugung und der Energiewirtschaft sind gem. Art. 27 und 25 der Verfassung verstaatlicht worden. Schon vor dem Inkrafttreten dieser Verfassungsbestimmungen war das private Eigentum mehreren E.-Aktionen ausgesetzt. Durch die bereits 1945 eingeleitete Bodenreform wurden alle landwirtschaftlichen Privatbetriebe über 100 ha enteignet.
Die nach Befehl Nr. 124 der SMAD angeordnete E. von „Kriegsverbrechern und Naziaktivisten“ (Sequesterbefehl) wurde als Vorwand benutzt, die wichtigsten Industriebetriebe mit etwa 40 v. H. der Gesamtproduktion in Volkseigentum zu überführen.
Der SMAD-Befehl 201 vom August 1947 leitete die nächste E.-Welle ein, in der das Vermögen angeblicher Naziaktivisten und Kriegsverbrecher durch Strafurteile eingezogen wurde.
Die Vermögenseinziehung ist dann regelmäßig auch in anderen politischen Strafverfahren nach Art. 6 der Verfassung und der Kontrollratsdirektive 38 und in zahlreichen Wirtschaftsstrafsachen verhängt worden. In der letzten Zeit hat dies nachgelassen, obwohl auch einige der neuen Staatsverbrechen des Strafrechtsergänzungsgesetzes vom 11. 12. 1957 die Vermögenseinziehung als Strafe vorsehen. Die kalte E. des Privateigentums wird schließlich durch steuerliche Maßnahmen (Steuern, Erbrecht, Erbschaftsteuer) und im Wege des Konkursverfahrens (Konkursrecht) betrieben. Bis zu dem im Juni 1953 verkündeten neuen Kurs und wieder seit August 1958 wird das [S. 125]Flüchtlingsvermögen praktisch enteignet.
Die enteigneten Vermögenswerte sind grundsätzlich lastenfrei in das „Volkseigentum“ übergeführt worden. Das bedeutet eine entschädigungslose E. der privaten Gläubiger des Enteigneten, deren Rechte an enteigneten Grundstücken und beweglichen Sachen und deren Ansprüche gegen das eingezogene Vermögen nicht anerkannt werden. Erst die VO vom 23. 8. 1956 über die Entschädigung ehemaliger Gesellschafter für Beteiligungen an enteigneten Unternehmen und die Befriedigung langfristiger Verbindlichkeiten aus der Zeit nach dem 8. 5. 1945 (GBl. S. 683) und das Gesetz vom 2. 1. 1. 1956 (GBl. S. 1207) über die Regelung der Ansprüche gegen Personen, deren Vermögen nach der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten oder auf Grund rechtskräftiger Urteile in das Eigentum des Volkes übergegangen ist, sehen eine gewisse Entschädigung bis zum Werte der in das „Volkseigentum“ übernommenen Vermögenswerte vor.
Aus Anlaß eines Rechtsstreites eines in der SBZ enteigneten und in das „Volkseigentum“ übergeführten Zweigbetriebes und des westdeutschen Hauptbetriebes hat das Oberste Gericht entschieden, daß die E. für ganz Deutschland wirksam sei. Demgemäß sei auch das dem westdeutschen Betrieb gehörende Warenzeichen auf den „volkseigenen“ Betrieb übergegangen („Neue Justiz“ 1954, S. 58).
Literaturangaben
- *: Die Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone und die Verwaltung des Vermögens von nicht in der Sowjetzone ansässigen Personen. 3., erg. Aufl. (BMG) 1962. 359 S. m. 78 Anlagen.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 124–125
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