Familienrecht (1963)
Siehe auch:
- Güterrecht, Eheliches: 1979
Grundlage des F. ist formell noch das BGB; alle der Gleichberechtigung von Mann und Frau entgegenstehenden Bestimmungen sind jedoch durch Art. 7 Abs. 2 und Art. 30 Abs. 2 der Verfassung aufgehoben worden (Gleichberechtigung der Frau). Hierdurch ist vor allem das Entscheidungsrecht des Ehemannes in allen die Frau oder das gemeinschaftliche Leben betreffenden Fragen beseitigt worden.
Der Entwurf des neuen Familiengesetzbuches ist noch nicht Gesetz geworden. Seine wesentlichen Rechtsgrundsätze werden aber von den Gerichten schon seit längerer Zeit als geltendes Recht angewendet (Familienpolitik). Nach dem Entwurf können die Ehegatten entweder einen gemeinsamen Familiennamen führen oder ihren bisherigen Namen beibehalten. Als gemeinsamer Familienname kann der Name des Mannes oder der Frau gewählt werden. Wollen die Eheleute ihren bisherigen Namen behalten, so müssen sie bei der Eheschließung in das Familienbuch eintragen lassen, ob die Kinder den Namen des Mannes oder den der Frau tragen sollen.
Beiden Elternteilen steht im gleichen Maße das Sorgerecht zu. Nichteheliche Kinder haben im Verhältnis zu ihren Eltern und deren Verwandten grundsätzlich die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes. Sie beerben jedoch nicht die Verwandten des Vaters. Das elterliche Sorgerecht besitzt nur die Mutter. Gegen die Verwandten und Eltern hat das Kind nach dem Entwurf des Familiengesetzbuches den gleichen Unterhaltsanspruch wie ein eheliches Kind. Das Recht, die Ehelichkeit eines Kindes anzufechten, hat neben dem Vater und dem Staatsanwalt auch die Mutter des Kindes. Völlig neu ist die Adoption geregelt worden.
Das Ehegesetz vom 20. 2. 1946, das wie alle übrigen Kontrollratsgesetze durch den am 19. 9. 1955 verkündeten Beschluß des sowjetischen Ministerrats aufgehoben worden ist, ist zwei Monate später durch die VO über Eheschließung und Eheauflösung vom 24. 11. 1955 (GBl. S. 849) ersetzt worden. Nach dieser VO müssen Mann und Frau das 18. Lebensjahr vollendet haben, wenn sie heiraten wollen. Bei der Ehescheidung ist das Schuldprinzip durch das Zerrüttungsprinzip ersetzt worden.
Danach ist die Ehe zu scheiden, wenn sie objektiv zerrüttet ist und deshalb ihren Sinn für die Gesellschaft und damit auch für die Eheleute und die Kinder verloren hat. Weitere besondere Scheidungsgründe gibt es ebensowenig wie einen Schuldausspruch im Scheidungsurteil. Damit entfallen sämtliche an das Verschulden geknüpfte Rechtsfolgen, insbesondere hinsichtlich des Sorgerechts für die Kinder und des Unterhalts der geschiedenen Ehegatten. Bei Auflösung der Ehe hat die Ehefrau einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den Mann oder dessen Erben. Da in der sozialistischen Gesellschaft jeder arbeitsfähige Mensch seinen Unterhalt durch eigene Arbeit verdienen muß, hat die Ehefrau grundsätzlich keinen Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltspflicht). Weitere Rechtsgrundsätze des Entwurfs des neuen Familiengesetzbuches sind durch das Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau vom 27. 9. 1950 (GBl. S. 1037) und die Richtlinien für die Behandlung von Familienrechtsstreitigkeiten vom November 1951 geltendes Recht geworden. Die gesetzlichen vertragsgemäßen Güterstände sind als gegen die Gleichberechtigung gerichtet durch die Verfassung außer Kraft gesetzt worden. Sämtliche Eheleute leben in Gütertrennung (Güterstand). Die Zuständigkeit in Ehesachen ist durch VO vom 21. 12. 1948 (ZVBl. S. 588) am 1. 4. 1949 den Amtsgerichten übertragen worden, an deren Stelle seit Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 2. 10. 1952 die Kreisgerichte getreten sind (Gerichtsverfassung). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich unter Berücksichtigung der Gleichberechtigung von Mann und Frau nach § 606 ZPO. An die Stelle eines hiernach etwa zuständigen westdeutschen oder West-Berliner Gerichts tritt jedoch nach der Rundverfügung Nr. 76/52 des Ministers der Justiz vom 9. 7. 1952 das sowjetzonale Kreisgericht, in dessen Bezirk der klagende Ehegatte seinen ständigen Aufenthalt hat.
Das Verfahren in Ehesachen ist durch die VO über Eheschließung und Eheauflösung — Eheverfahrensordnung — vom 7. 2. 1956 (GBl S. 145) unter Aufhebung der ent[S. 137]sprechenden Bestimmungen der ZPO neu geregelt worden. In allen Scheidungssachen ist eine vorbereitende Verhandlung „zur Aussöhnung und Erziehung der Parteien“ durchzuführen. Erst in einem zweiten Termin darf eine Entscheidung getroffen werden. Die Verhandlung in Ehesachen ist öffentlich. Gleichzeitig mit dem Scheidungsverfahren sind das elterliche Sorgerecht und der Unterhalt der Kinder und der Ehegatten zu regeln.
Wie der Bundesgerichtshof festgestellt hat, dient auch das sowjetzonale Scheidungsrecht der Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Aus diesem Grunde werden in der Bundesrepublik sowjetzonale Ehescheidungsurteile nicht mehr anerkannt, wenn die beklagte Partei zur Zeit des Urteils ihren dauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik hatte und die Scheidung nach westdeutschem Recht nicht hätte ausgesprochen werden dürfen.
Literaturangaben
- Hagemeyer, Maria: Zum Familienrecht der Sowjetzone — Der „Entwurf des Familiengesetzbuches“ und die „Verordnung über die Eheschließung und Eheauflösung“. 3., überarb. Aufl. (BMG) 1958. 75 S.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 136–137
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