DDR von A-Z, Band 1963

FDJ (1963)

 

 

Siehe auch:


 

Abk. für Freie Deutsche Jugend, die einzige in der SBZ zugelassene Jugendorganisation, eine in den ersten Jahren als überparteilich getarnte Massenorganisation der SED. Die Niederlage, die der Kommunismus 1933 erlitten hatte, nötigte den KJVD (gleich der KPD), seine Arbeit mit Volksfront- und Einheitsfrontlosungen zu tarnen. Seit 1935, mehr noch seit 1945 traten die Jugendfunktionäre der KPD als „FDJ“ auf.

 

Die FDJ bediente sich der am 20. 6. 1945 von der SMAD genehmigten antifaschistischen Jugendausschüsse. Die Gründung der FDJ wurde am 7. 3. 1946 in großen Versammlungen verkündet. War auch die FDJ anfangs überparteilich, so waren doch die Schlüsselstellungen von Anfang an mit KP/SED-Mitgliedern besetzt. Schon seit Beginn des 1. FDJ-Schuljahres 1951 wird die FDJ auf den Marxismus-Leninismus gemäß der geltenden Parteilinie der SED ausgerichtet. Seit Beginn des Aufbaus der Kasernierten Volkspolizei war die FDJ ihr wohl ergiebigstes Rekrutierungsfeld; in noch stärkerem Maße galt bzw. gilt das für die Nationale Volksarmee und die Gesellschaft für Sport und Technik, über die Betriebs-, Verwaltungs-, Schul- und Hochschulgruppen usw. der FDJ kontrolliert die SED die Jugend in diesen Bereichen. Für größere Schulen sind, um die Leitung zu straffen, Zentrale Schulgruppenleitungen (ZSGL) eingesetzt.

 

Seit der 16. Tagung des Zentralrates (25. 4. 1957) gilt die Losung: „Die FDJ ist die sozialistische Jugendorganisation der DDR.“ Demgemäß heißt es im Statut vom 15. 5. 1959 (§ 1, Abs. 1–6): „Die FDJ ist die sozialistische Massenorganisation der Jugend in der DDR. Sie vereint in ihren Reihen auf freiwilliger Grundlage die Arbeiter- und Landjugend, die junge Intelligenz, die Schüler und Studenten und die Jugend des Mittelstandes.“ Sie „läßt sich … von den richtungweisenden Beschlüssen und Ratschlägen der SED leiten, weil ihre Politik, auf den Lehren von Marx, Engels und Lenin beruhend, den Lebensinteressen der Nation und der Jugend entspricht.“ Der § 5, d sagt: „Jedes Mitglied der FDJ hat die Pflicht, … sich mit der wissenschaftlichen Lehre der Arbeiterklasse, dem Marxismus-Leninismus, vertraut zu machen.“ Die FDJ ist also auch auf den Atheismus verpflichtet, und damit ist § 1, Abs. 27 des Statuts [S. 139]unglaubwürdig, in dem die FDJ behauptet: „Sie betrachtet alle Jugendlichen, auch die, die religiös gebunden sind, als ihre Freunde und Kameraden …“

 

Um den Patriotismus der ganzen deutschen Jugend auf das SBZ-Regime festzulegen, behauptet das Statut: „Die deutsche Jugend hat in der DDR ihr wahres Vaterland.“ Auch verlangt § 1, Abs. 11 Einsatz für die bewaffneten Organe, für die Militärpolitik: „Die Mitglieder der FDJ betrachten es als ihre Ehre und Pflicht …, sich vormilitärische Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. Der Dienst in den bewaffneten Organen der DDR ist für jedes Mitglied der FDJ eine Ehrenpflicht.“

 

Um die FDJ für den Siebenjahrplan anzuspannen, beschloß das VI. Parlament (Mai 1959) ein genau durchgegliedertes „Programm der jungen Generation für den Sieg des Sozialismus“. Darin wird u. a. Mitarbeit gefordert an der Bewegung des Kompaß, den Kontrollposten, den Brigaden der sozialistischen Arbeit, den sozialistischen ➝Gemeinschaften.

 

Als die Mauer in Berlin gerade auch der Jugend die Flucht abschnitt, beschloß der ZR der FDJ am 17. 8. 1961 das Kampfaufgebot: „Das Vaterland ruft, schützt die sozialistische Republik!“ — Damit erzwang der ZR — mit Terror gegen Widerstrebende und Panik-Hetze gegen die BRD: 1. die Meldung vieler Rekruten für die Nationale Volksarmee, formiert in „Freiwilligenregimentern“ der FDJ; 2. die Verstärkung der FDJ-Ordnungsgruppen; 3. zusätzliche unentgeltliche Rekord- und Schwitzarbeit Jugendlicher in den Jugendbrigaden im Produktionsaufgebot.

 

Die gesamte Tätigkeit und Schulung der FDJ wird seit langem ausschließlich von der SED angeleitet und gelenkt. Das neue Statut der SED, das der VI. Parteitag annahm, band die FDJ noch stärker an die SED. — Der Zentralrat (ZR) wird alle 4 Jahre vom Parlament der FDJ gewählt; er setzt das Büro und das Sekretariat des ZR, die eigentliche Führungsspitze, ein. — Der 1. Sekretär des ZR ist Horst ➝Schumann (SED). Als Mitgliederzahl nannte das „Statist. Jahrbuch der DDR“ 1959 1, 74 Mill. (ohne Junge Pioniere). Die Ausgabe 1960–61 vermeidet jede Angabe, um Mitgliederschwund zu verheimlichen. Sie nennt nur 1,668 Mill. Junge Pioniere. — Die FDJ erfaßt die Jugendlichen über 14 Jahre und übernimmt sie von den Jungen Pionieren. Die Altersgrenze, nicht für Funktionäre, wohl aber für Mitglieder, ist im allgemeinen (seit dem Statut vom Mai 1958) das vollendete 26. Lebensjahr.

 

Der ZR verleiht für „Verdienste bei der sozialistischen Erziehung der Jugend …“ die „Artur-Becker-Medaille der FDJ“, die bis April 1960 als Medaille „Für die sozialistische Erziehung unserer Jugend“ bezeichnet wurde. (Der Altkommunist B., Vors. des ZK des KJVD, starb 1938 als Rotspanien-Kämpfer.) Außerdem wird das Abzeichen „Für gutes Wissen“ für Leistungen bei der FDJ- Schulung vergeben. In der Bundesrepublik Deutschland ist die FDJ seit 26. 6. 1951 als verfassungsfeindlich verboten. Dieses Verbot bestätigte am 16. 7. 1954 das Bundesverwaltungsgericht. Tageszeitung: „Junge Welt“, Halbmonatsschrift: „Junge Generation“.[S. 596]

 

Nachtrag

 

In Anwendung der Beschlüsse des VI. Parteitages der SED hielt die FDJ Ende Mai 1963 ihr VII. Parlament (=Verbandstag) ab. Das Statut wurde teilweise neugefaßt. Aus ihm geht hervor, daß die FDJ nicht nur politisch-ideologische Hilfstruppe der SED sein soll, sondern auch durch wissenschaftlich-technische Ausbildungsarbeit und durch Einsatz in den Betrieben (so auch in den Jugendausschüssen des FDGB) die wirtschaftliche Erzeugung mit vorantreiben soll. Im Büro des Zentralrates sind nun nur noch Mitglieder der SED, nachdem CDU, NDPD und DBD, die noch je einen der 20 Sitze innehatten, herausgesetzt wurden.

 

[S. 139]

 

Literaturangaben

  • Friedrich, Gerd: Die Freie Deutsche Jugend, Stoßtrupp des Kommunismus in Deutschland (Rote Weißbücher 1). Köln 1951, Kiepenheuer und Witsch. 182 S.
  • Friedrich, Gerd: Die Freie Deutsche Jugend — Auftrag und Entwicklung (Rote Weißbücher 11). 2., erw. u. veränd. Aufl., Köln 1953, Kiepenheuer und Witsch. 203 S.
  • Hartung, Hermann, und Gottfried Paulsen: Was liest die Jugend der Sowjetzone? 2. Aufl. (BMG) 1961. 107 S.
  • Herz, Hanns-Peter: Freie Deutsche Jugend. München 1956, Juventa-Verlag. 128 S.
  • Hetmann, Frederik: Enteignete Jahre — Junge Leute berichten von drüben. München 1961, Juventa-Verlag. 191 S.
  • Jeremias, U.: Die Jugendweihe in der Sowjetzone. 2., erg. Aufl. (BMG) 1958. 120 S.
  • König, Helmut: Rote Sterne glühn — Lieder im Dienste der Sowjetisierung, 3., erw. Aufl., Godesberg 1962, Voggenreiter. 128 S.
  • Lange, Max Gustav: Totalitäre Erziehung — Das Erziehungssystem der Sowjetzone Deutschlands. Mit einer Einl. v. A. R. L. Gurland (Schr. d. Inst. f. pol. Wissenschaft, Berlin, Bd. 3). Frankfurt a. M. 1954, Verlag Frankfurter Hefte. 432 S.
  • Möbus, Gerhard: Kommunistische Jugendarbeit — zur Psychologie und Pädagogik der kommunistischen Erziehung im sowjetisch besetzten Deutschland. Berlin 1957, Morus-Verlag. 124 S.
  • *: Die Pionier-Organisation „Ernst Thälmann“ in der Sowjetzone. (FB) 1959. 15 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 138–139


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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