DDR von A-Z, Band 1963

Gnadenrecht (1963)

 

 

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1965 1966 1969 1975 1979


 

Das G. war bis zum 12. 9. 1960 dem Präsidenten der Republik vorbehalten. Nach dem Tode Wilhelm ➝Piecks wurde es durch Art. 106 der geänderten Verfassung dem neu gebildeten Staatsrat übertragen. In einem nicht veröffentlichten Erlaß hat der Staatsrat die Ausübung des G. neu geregelt. Nach § 1 übt der Staatsrat das G. durch den Vors. des Staatsrates aus. Gnadengesuche können von dem Verurteilten oder seinem Ehegatten, einem in gerader Linie Verwandten oder den Geschwistern des Verurteilten eingereicht werden. Bei Todesurteilen [S. 180]kann das Gnadengesuch auch durch einen in der SBZ zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht werden. Daraus ergibt sich eindeutig, daß in anderen Fällen Gnadengesuche nicht von Anwälten eingereicht werden dürfen. Von Angehörigen eingereichte Gnadengesuche sollten auch die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht erkennen lassen. Die Vorprüfung des Gesuches erfolgt durch eine Kommission unter Leitung des Sekretärs des Staatsrates. Dieser Kommission gehören der Minister der Justiz, der Generalstaatsanwalt, der Minister des Innern oder der Minister für Staatssicherheit an. Über Gnadengesuche, die sich nur auf Geldstrafen oder Nebenfolgen erstrecken, entscheidet eine Gnadenkommission in den Bezirken, der der Leiter der Justizverwaltungsstelle, der Direktor des Bezirksgerichts, der Bezirksstaatsanwalt und der 1. Stellv. des Vors. des Rates des Bezirkes angehören. Der Minister der Justiz und der Generalstaatsanwalt sind berechtigt, durch gemeinsamen Beschluß die Entscheidungen der Gnadenkommission abzuändern oder aufzuheben. Einen Gnadenerweis gegen den Willen der Staatsanwaltschaft gibt es in der Praxis nicht. Neben einem Gnadenerweis gibt es während des Strafvollzuges noch die Möglichkeit der bedingten Strafaussetzung. (Rechtswesen)

 

Literaturangaben

  • Mampel, Siegfried: Das Gesetzbuch der Arbeit der Sowjetzone und das Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland — ein Vergleich. 5. Aufl. (hrsg. v. Bundesmin. für Arbeit …). Bonn 1962. 64 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 179–180


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.