DDR von A-Z, Band 1963

Infiltration (1963)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

Sammelbezeichnung für die kommun. Taktik des Einsickerns von Personen, Nachrichten und Gerüchten. Durch I. soll eine geschlossene Abwehr gegen den Bolschewismus untergraben werden. Anders als lautstarke Pro[S. 213]paganda ist sie gefährlich durch ihre unmerkliche, auf die Dauer zersetzende Wirkung. Das Ziel der vielfältigen I.-Methoden sind alle Personenkreise, bei denen Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen oder Verteidigungsscheu (Pazifismus) angenommen wird. Während durch personelle I. kommun. Vertrauensleute in wichtige Stellungen des gesamten öffentlichen Lebens eingeschleust werden sollen, will die geistige I. durch Ausstreuen von Gerüchten und Zwecknachrichten im Westen ein Gefühl der Unsicherheit und Schwäche verbreiten. Die wichtigsten westdeutschen Stützpunkte für die I.-Taktik sind die kommun. Tarnorganisationen.

 

1960 erschienen für Zwecke der I. mehr als 130 Zeitungen und Zeitschriften der Tarnorganisationen und (großenteils in der SBZ gedruckt) 120 kommun. Betriebszeitungen und mindestens 167 Zeitungen und Ortsblätter der verbotenen KPD. Im Frühjahr 1962 erschienen allein in West-Berlin über 50 illegale kommun. Zeitungen. Im Sept. 1956 gab es allein in Nordrhein-Westfalen 12 kommun. Betriebszeitungen. Ferner werden monatlich — im Jahre 1961 teilweise schon mehr — 9 bis 10 Mill. Flugblätter und Briefzeitungen in die Bundesrepublik eingeschmuggelt. — Im Jahre 1960 fuhren rd. 72.000 westdeutsche Arbeitnehmer als gesteuerte Kontakt-Sucher in die SBZ, um dort eine kommun. I. zu erhalten. Ein Teil der I.-Schriften wird widergesetzlich in der Bundesrepublik gedruckt.

 

Der wichtigste Hebel der SED bei der I. ist das „Büro für Nationale Gewerkschaftsarbeit“ im Bundesvorstand des FDGB. In der SBZ und in der BRD sind für dieses Büro mindestens 13.000 Agenten und Funktionäre tätig, davon rd. 3.500 hauptamtlich. Jeder Betrieb in der SBZ „betreut“ einen westdeutschen Betrieb des gleichen Faches, über den er eine Patenschaft ausübt.

 

Für die I., die vor allem betrieben wird von der SED (Deutschlandpolitik), den Massenorganisationen und vom Staatsapparat, werden sehr hohe Summen ausgegeben. Die Richtlinien für die I. erteilt das Politbüro der SED. Die unmittelbare Anleitung hat die zuständige Abt. des ZK der SED. Nur die I. auf kulturell-wissenschaftlichem Gebiet übt der Sektor „Westarbeit“ der Abt. Kultur des ZK der SED aus.

 

Literaturangaben

  • Albrecht, Ernst F.: Kontakte im Zwielicht… Infiltration im kommunalen Bereich. Godesberg 1960, Verlag für Publizistik. 92 S.
  • Kluth, Hans: Die KPD in der Bundesrepublik — ihre politische Tätigkeit und Organisation 1945–1956. Köln 1959, Westdeutscher Verlag. 154 S.
  • Maertens, A.: Aufmarsch gegen die Freiheit. Godesberg 1960, Hohwacht. 97 S. m. Abb. (Zeigt Infiltration gegen die Bundeswehr.)
  • Richter, Karl: Die trojanische Herde — Ein dokumentarischer Bericht. Köln 1959, Verlag für Politik und Wirtschaft. 313 S. (Beleuchtet die Infiltrationsarbeit in der Bundesrepublik.)

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 212–213


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.