Interzonenhandel (1963)
Siehe auch:
- Außenwirtschaft: 1969
Bezeichnung für den Handel zwischen der BRD und der SBZ. Während die drei Westzonen ziemlich schnell wieder zu einem einheitlichen Handelsgebiet zusammenwuchsen, entwickelte sich der Warenaustausch zwischen Westdeutschland und der SBZ nur unter erheblichen Schwierigkeiten und niemals völlig zu seinem früheren Umfang. Die sowjetzonale Seite begehrt in der Hauptsache strategisch wichtige Güter, wie Eisen, Stahl, hochwertige chemische Erzeugnisse (Stickstoffdünger), Maschinenbau-, Eisen- und Metallwaren und Qualitätslebensmittel aller Art einschl. Wein und Hopfen. Als Gegenlieferung ins Bundesgebiet sind Holz, Eisen- und Stahlwaren, Maschinenersatzteile, Zellstoff, Textilien, Lebensmittel (Zucker), Chemikalien, Mineralöl und vor allem Braunkohlenbriketts vorgesehen. Vertraglich geregelt wurde der I. in dem Mindener Abkommen (1946), dem Berliner Abkommen (1948), dem Frankfurter Abkommen (8. 10. 1949), seiner Verlängerung im Frühjahr 1949 (3. 2. 1951), dem Berliner Abkommen vom 20. 9. 1951 und den jährlich folgenden Vereinbarungen über die Warenlisten zum Abkommen. Ab 1. 10. 1949 sind auch beide Teile Berlins in die I.-Vereinbarungen eingeschlossen. Nach dem Frankfurter Abkommen vom 8. 10. 1949 werden die Interzonengeschäfte über die Deutsche ➝Notenbank und die Deutsche Bundesbank abgewickelt, die Verrechnung von DM West zu DM Ost erfolgt im Verhältnis 1:1, d. h. 1 Deutsche Mark = 1 VE (Verrechnungseinheit). Abgerechnet wird per Ende Juni jeden Jahres; etwaige Verrechnungsspitzen sind in DM West bar zu bezahlen. Der vertragliche I. wird in der SBZ durch das Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel (MAI) gelenkt. Die Bestimmungen für den Außenhandel werden auch auf den I. angewendet. Im Bundesgebiet ist die Bundesstelle für den Warenverkehr zuständig. Zölle werden im I. nicht erhoben. Der I. dient der sowjetzonalen Wirtschaft im wesentlichen dazu, Lücken in der Materialversorgung zu schließen, die von Moskau und den anderen sozialistischen Ländern nicht geschlossen werden können. Er wird stark von der jeweiligen politischen Situation beeinflußt.
Mit der Vereinbarung vom 16. 8. 1960 über die Warenlisten für 1961 wurde erstmalig die einjährige Gültigkeitsdauer in eine unbegrenzte Laufzeit abgeändert; die SBZ war aus Planungsgründen an Abschlüssen über einen längeren Zeitraum interessiert.
Am 30. 9. 1960 wurde das I.-Abkommen wegen politischer Übergriffe in Berlin von der BRD zum Jahresende gekündigt, nach längeren Verhandlungen aber noch vor Ablauf der Kündigungsfrist wieder in Kraft gesetzt.
Ende 1961 betrug der Warenumsatz im I. rund 1,8 Milliarden DM einschl. der Dienstleistungen bei einem Rückgang von etwa 10 v. H. gegenüber dem Vorjahr.
Das ungleich größere wirtschaftliche Interesse der SBZ an der Aufrechterhaltung des I. ist daraus zu ersehen, daß etwa 10 v. H. des Außenhandels auf den I. entfallen, während der I. nur 2 bis 3 v. H. des Außenhandels der BRD ausmacht.
Nach anfänglicher Zurückhaltung der Zone im Frühjahr 1962 haben die Abschlüsse im I. ungefähr wieder den Vorjahresstand erreicht, besonders, nachdem der Termin des Barausgleichs für Verrechnungsspitzen in DM West um ein Jahr verschoben wurde.
Seit Ende 1960 arbeitet die SBZ mit großem Aufwand daran, Lieferungen aus der BRD durch Eigenproduktion zu ersetzen, um der Widerrufsklausel der Warenbegleitscheine mit ihren Folgen für ihre Wirtschaft zu entgehen.
Die Zonenwirtschaft ist jedoch nach wie vor auf die Materiallieferungen aus der BRD im I. für ihren Ausbau und ihre Verpflich[S. 217]tungen besonders der SU gegenüber angewiesen, wie das Kreditersuchen zur Ausweitung des I. von etwa 3 Mrd. DM für Steinkohle und Maschinen beweist.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 216–217