DDR von A-Z, Band 1963

Kaderpolitik (1963)

 

 

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1965 1966 1979 1985


 

Pj., Bezeichnung für Auswahl, Ausbildung und Einsatz von „Kadern“. Der Begriff Kader stammt aus der Militärsprache, bedeutet dort Stammpersonal militärischer Formationen. In den kommun. Parteien sind Kader:

 

a) alle Personen in Partei, Staat, Wirtschaft, Massenorganisationen und Militär, die in wichtigen Positionen zur Erhaltung und Festigung des totalitären Systems beitragen sollen. In diesem Sinne bedeutet Kader soviel wie Elite. In der Bezeichnung der SED als einer Kaderpartei (im Gegensatz zur Massenpartei) wird die Absicht zum Ausdruck gebracht, aus der Partei ein organisatorisch und weltanschaulich hochgezüchtetes Herrschaftsinstrument zu schaffen. Die „Entwicklung von Kadern“ ist eine Hauptaufgabe der Schulung. Die Sicherung einer einheitlichen K. obliegt den Kaderabt., die mit besonders zuverlässigen SED-Mitgliedern besetzt sind. Kaderabt. bestehen in allen Organisationen, Institutionen und Betrieben. Die Kaderabt. müssen auch bei der Einstellung von Parteilosen und Mitgl. anderer Parteien die Genehmigung der zuständigen SED-Dienststelle einholen. Die Kaderabt. des SED-Apparates haben bestimmenden Einfluß auf die K. aller Organisationen und Institutionen, einschließlich der „Blockparteien“. (Nomenklatursystem)

 

Die Kaderabt. sollen die Beschäftigten hinsichtlich ihrer Einstellung überwachen. Sie führen „Entwicklungskarteien“, in die neben dem fachlichen Werdegang die Teilnahme an politischen Schulungen sowie Vermerke über das politische und „moralische“ Verhalten eingetragen werden. Regelmäßig sollen mit allen Beschäftigten „Entwicklungsgespräche“ geführt werden. Bei Arbeitsplatzwechsel wird die sog. Kaderakte des Beschäftigten der Kaderabt. des neuen Arbeitsplatzes übersandt. Schon vor Neueinstellung wird regelmäßig bei der Kaderabt. des Betriebes bzw. der Dienststelle, bei der der Betreffende bisher beschäftigt war, Nachfrage gehalten. So werden bei Kündigungen aus pol. Gründen [S. 232](Kündigungsrecht) unerwünschte Neueinstellungen verhindert. Der leitende Funktionär einer Kaderabt. wird Kaderleiter genannt. Er ist verpflichtet, dem Staatssicherheitsdienst jederzeit Einblick in alle Kaderakten zu gewähren und alle gewünschten Auskünfte zu erteilen. Die große Bedeutung, die der K. zugeschrieben wird, entspricht dem militärischen Organisationsprinzip der Kommunisten: „Die Kader entscheiden alles.“ (Stalin)

 

b) aus der unter a) geschilderten Bedeutung abgeleitet, bedeutet Kader im weiteren Sinne ganz allgemein soviel wie „Personal“, insbesondere in Hinblick auf dessen fachliche Eignung und Zuverlässigkeit.

 

Literaturangaben

  • Schultz, Joachim: Der Funktionär in der Einheitspartei — Kaderpolitik und Bürokratisierung in der SED (Schr. d. Inst. f. polit. Wissenschaft, Berlin, Bd. 8). Stuttgart 1956, Ring-Verlag. 285 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 231–232


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.