DDR von A-Z, Band 1963

Siebenjahrplan (1963)

 

 

Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1965 1966 1969 1975 1979


 

Unmittelbar nachdem die SU für 1959 bis 1965 einen S. angekündigt hatte, ahmte das SED-Regime diese neue Periodisierung der Wirtschaftsplanung nach, obwohl der zweite Fünfjahrplan noch im Gange war. Die restlichen zwei Jahre des laufenden zweiten Fünfjahrplanes (1959 bis 1960) und der bereits vorbereitete dritte Fünfjahrplan (1961 bis 1965) wurden zum S. zusammengefaßt. Der S. sollte nicht nur die Synchronisierung mit dem sowjet. S. gewährleisten, sondern enthielt entsprechend den erhöhten sowjet. Lieferanforderungen auch erweiterte Planziele.

 

Das Hauptziel des S. war es — wie in der Präambel des S.-Gesetzes nachzulesen ist — „die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung über die kapitalistische Ordnung zu beweisen“. Dieses Ziel sollte durch die Steigerung der Produktion und der Produktivität (Arbeitsproduktivität) auf nahezu das Doppelte gegenüber 1958 erreicht werden. Planziele im einzelnen: Grundstoffproduktion + 90 v. H., Maschinenbauproduktion + 110–160 v. H., Konsumgüterproduktion + 84 v. H., Bauproduktion + 100 v. H., Arbeitsproduktivität + 85 v. H.

 

Bereits nach dem zweiten Jahr der Laufzeit des S. war auch dem SED-Regime klar geworden, daß die S.-Ziele keinesfalls erreicht werden konnten. In den ersten beiden Jahren (1959–60) betrugen die Investitionen nicht wie geplant rd. 40 Milliarden Mark, sondern nur rd. 30 Milliarden. Aus dieser Minderleistung bei der Bereitstellung neuer Fabrikanlagen und Maschinen ergaben sich zwangsläufig geringere Zuwachsraten in der Industrieproduktion und der Arbeitsproduktivität.

 

Nachdem der S. zur Hälfte durchgeführt worden war, d. h. Mitte 1962, ergaben sich z. B. gegenüber dem ursprünglichen Plan folgende Rückstände: Investitionen 25 v. H., Industriebau 30 v. H., Industrieproduktion 35 v. H.

 

Als das Scheitern des S. Anfang 1958 bereits feststand, suchte das SED-Regime — wie üblich — nach Schuldigen. Es fand sie in den „Vertretern der monopolkapitalistischen Kreise in Bonn“. Diese hätten angeblich unter Ausnutzung der „offenen Grenze“ nach dem Westen den Aufbau der Zonenwirtschaft sabotiert und hintertrieben. Die bekannte Formel vom Menschenhandel“ wurde dazu erfunden. Die wirklichen Gründe für das Scheitern des S. sind andere: sie sind im Wirtschaftssystem der SED und in der Politik des SED-Regimes in ihrem Verhältnis zur SU zu suchen und zu finden. (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, Wirtschaft). Dazu kommen die immer wieder zu beobachtenden Fehleinschätzungen der eigenen ökonomischen Möglichkeiten des Regimes, das trotz der Vorbehalte der Wirtschaftsexperten durchsetzt, daß „politische“ Wirtschaftspläne aufgestellt werden. Auftretende Schwierigkeiten in der Planerfüllung werden in aller Regel vom Regime als „Folgen mangelnden sozialistischen Bewußtseins“ hingestellt.

 

Nachdem die Erfüllung des S. sich als Utopie erwiesen hatte, kündigte Ulbricht auf der 17. Tagung des ZK der SED (Anfang Oktober 1962) ein neues „nationales Wirtschaftsprogramm“ an. — Auf dem VI. Parteitag der SED (Jan. 63) gab er bekannt, daß ab 1964 ein neuer S. in Kraft treten solle, nachdem „die Staatsgrenze gesichert“ (Mauer) und es durch die seitdem eingetretene angebliche „Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage“ möglich [S. 430]sei, „einen neuen, solide fundierten Perspektivplan sorgfältig vorzubereiten“. Das Kernproblem des neuen S. sei „die Gestaltung der nationalen Wirtschaft“. Das vorher angekündigte „nationale Wirtschaftsprogramm“ ist demnach identisch mit dem 2. S., dessen Planziele gegenüber dem 1. S. sehr viel bescheidener angesetzt sind.

 

 

Hohe Zuwachsraten sind besonders in der metallverarbeitenden Industrie (+ 9,4 v. H. jährlich) und in der ehem. Industrie (9 v. H.) vorgesehen. Die Konsumgüterindustrie und die Lebensmittelindustrie sollen nur um 2–3 v. H. jährlich wachsen. Damit kann der Rückstand im Lebensstandard gegenüber der BRD keinesfalls aufgeholt werden: der Abstand muß vielmehr bis 1970 noch größer werden.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 429–430


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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