Staatsrat (1963)
Siehe auch die Jahre 1960 1962 1965 1966 1969 1975 1979 1985
Der Tod des Präsidenten Pieck, gab der SED die Gelegenheit, die Verfassung zu revidieren und sie in den Artikeln 101 bis 108 den Verfassungsbestimmungen der SU und anderer „Volksdemokratien“ anzupassen. Nach sowjet. Vorbild wurde am 12. 9. 1960 das Amt des Präsidenten der Republik durch einen „St. der Deutschen Demokratischen Republik“ ersetzt. Zugleich wurden die Befugnisse des St. gegenüber dem Präsidentenamt stark ausgedehnt. Der St. wird von der Volkskammer auf die Dauer von vier Jahren gewählt. Er besteht aus dem Vorsitzenden (Ulbricht), sechs Stellv. d. Vorsitzenden (Grotewohl, Dieckmann, Götting, Homann, Gerlach, Rietz) und 16 Mitgliedern (Leuschner, Ebert, Correns, Thießen, Polak, Ermisch, Rodenberg, Mewis, Grützner, Bernhard, Koenen, Rieke, Christoph, Kind, Irmgard ➝Neumann, Krauß, Horst ➝Schumann). Als Sekretär des St. fungiert Otto Gotsche (SED).
Der St. ist der Volkskammer formal rechenschaftspflichtig. Er verkündet die Gesetze, verpflichtet die Regierungsmitglieder bei ihrem Amtsantritt, schreibt Wahlen zur Volkskammer aus, ratifiziert und kündigt internationale Verträge, ernennt Botschafter und beruft sie ab, nimmt Beglaubigungs- und Abberufungsschreiben der bei ihm akkreditierten ausländischen diplomatischen Vertreter entgegen. Neben diese meist repräsentativen Aufgaben treten Funktionen, die von den klassischen verfassungsrechtlichen Befugnissen eines Staatsoberhauptes bzw. einer obersten Staatsrepräsentation stark abweichen. So gibt der St. „allgemein verbindliche Auslegungen der Gesetze“, kann er selbständig „Beschlüsse mit Gesetzeskraft“ erlassen, grundsätzliche Beschlüsse zu „Fragen der Verteidigung und Sicherheit des Landes“ fassen, „grundsätzliche Anordnungen des Nationalen Verteidigungsrates“ bestätigen und die Mitgl. des Verteidigungsrates berufen. In der Verfassungspraxis tritt der St. damit in eine Funktionskonkurrenz mit den legislativen und exekutiven Organen der SBZ. (Regierung und Verwaltung)
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 455
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