DDR von A-Z, Band 1963

Staatssicherheitsdienst (SSD, Stasi) (1963)

 

 

Siehe auch:


 

Politische Geheimpolizei der SBZ. Schon Ende 1945 begann der Aufbau eines geheimen Polizeiapparates zur Verfolgung politischer Gegner des SED-Regimes, als bei den Landes- und Kreisbehörden der Volkspolizei „Kommissariate 5“ („K 5“) entstanden. Ende 1946 wurde bei der Deutschen Verwaltung des Innern ein Referat K 5 in der Abt. Kriminalpolizei errichtet, das polit. Delikte als „Auftragsangelegenheiten der Besatzungsmacht“ bearbeitete. Parallel dazu entstand durch Beschluß der Deutschen Wirtschaftskommission vom 12. 5. 1948 ein „Ausschuß zum Schutz des Volkseigentums“, dem die „administrative Kontrolle des gesamten Volkseigentums“ übertragen wurde Beide Stellen wurden nach Gründung der „DDR“ am 7. 10. 1949 zunächst zu der „Hauptverwaltung Schutz der Volkswirtschaft“ im Ministerium des Innern (MdI) zusammengefaßt, danach durch Gesetz vom 8. 2. 1950 (GBl. 1950, S. 95) zu einem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) verselbständigt. Erster Minister: Wilhelm ➝Zaisser. Nach Juni-Aufstand in „Staatssekretariat für Staatssicherheit“ umgewandelt und erneut dem MdI unterstellt. Seit Nov. 1955 wieder MfS. Minister seit 1957: Erich ➝Mielke als Nachfolger des in Ungnade gefallenen Ernst ➝Wollweber. Febr. 1957 gab das MfS die Bereitschaftspolizei, Grenzpolizei und Trapo an das MdI ab.

 

Sitz des MfS: Berlin-Lichtenberg, Bezirksverwaltungen in allen Bezirkshauptstädten und im Sowjetsektor Berlins; Kreisdienststellen in den Kreisen; Beauftragte in Industriebetrieben und landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Bis 1954 waren allen Einheiten des SSD Instrukteure des Sowjet. MGB zugeteilt. Arbeitsweise: Ermittlungs-, Untersuchungs- sowie Vernehmungsmethoden nach Vorbild der KGB; stützt sich in erster Linie auf Berichte seiner Geheimen Informanten (Spitzelwesen).

 

Der SSD hat sämtliche Lebensbereiche der SBZ gegen alle nichtsowjetischen Regungen und antikommun. Gedanken geheimpolizei[S. 456]lich zu „sichern“. Daneben betreibt er Spionage, Sabotage, Diversion und Zersetzung in West-Berlin, in der Bundesrepublik und zum Teil auch im westlichen Ausland (Aufklärung). Die „offensive“ Tätigkeit des SSD obliegt der „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HVA) im MfS, die sich auf teils legale, teils illegale „Residenturen“ (= Spionageköpfe) stützt. Diese arbeiten konspirativ (d. h. streng verdeckt) 1. in den gesamtdeutschen Abt. aller Parteien und Massenorganisationen und Einrichtungen, die durch Kontakte mittels der Infiltration in die Bundesrepublik hinein wirken; 2. in der Wirtschaft und der technischmilitärischen Forschung außerhalb der SBZ.

 

Der SSD unterliegt keiner Kontrolle durch die Volkskammer, „er ist eine Behörde eigener Verantwortung“ (Otto Nuschke bei Presseempfang in Bonn am 20. 9. 1952). Er ist lediglich der Form nach an die Sozialistische Gesetzlichkeit gebunden. Er verletzt sie häufig, wenn auch die bis 1954 festgestellten Vernehmungsmethoden (Licht-, Wasser- und Kältezellen, Verpflegungsentzug, schwere Mißhandlungen) selten geworden sind. Die erwünschten Aussagen erzielt der SSD nötigenfalls durch zermürbende Dauerverhöre. Der Hauptabt. V des MfS obliegen in Zusammenarbeit mit der Hauptabteilung VIII Planung und Durchführung von Verschleppungen aus dem Westen (Menschenraub). SSD-Angehörige führen Militärdienstgrade und haben neben SSD-Ausweis auch Kripo-Ausweis und Tarnpapiere. Stärke: etwa 13.000 Zivil tragende Offiziere, Unteroffiziere und Angestellte, einschließlich der 1.450 Angehörigen des MfS, ohne das 3.000 Mann starke Wachregiment des MfS.

 

Literaturangaben

  • Herz, Peter: Berlin-Lichtenberg, Normannenstraße 22 — Agentenzentrale SSD. 3. Aufl. (hrsg. v. Unters.-Ausschuß Freiheitl. Juristen). Berlin 1964. 51 S.
  • Der Staatssicherheitsdienst — Ein Instrument der politischen Verfolgung in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. (BMG) 1962. 251 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 455–456


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.