DDR von A-Z, Band 1963

Umsiedler (1963)

 

 

Siehe auch:


 

Ursprünglich Bezeichnung der Heimatvertriebenen aus den deutschen Ostgebieten. U. werden heute Personen genannt, die aus Westdeutschland in die SBZ übersiedeln. Während jede Verleitung zur Republikflucht in der SBZ als Staatsverbrechen bestraft wird (Abwerbung), bemüht sich die SED, Bürger der BRD zur Übersiedlung in die SBZ zu veranlassen. Der Erfolg dieser Bemühungen ist gering. Trotzdem versucht die SED-Propaganda den Eindruck einer großen Fluchtbewegung aus der BRD und West-Berlin hervorzurufen. Die ih der SBZ veröffentlichten Zahlenangaben entbehren jedoch ebenso wie bei den Rückkehrern jeder Grundlage.

 

Durch Presse und Rundfunk werden ständig Berichte von U. verbreitet, die „endlich der Unterdrückung und Kriegshetze in Westdeutschland entkommen sind und einer glücklichen Zukunft im ersten deutschen Arbeiter - und -Bauern-Staat entgegensehen“. Wie Nachforschungen ergeben haben, waren in allen Fällen nicht die von der SED-Propaganda verbreiteten politischen Gründe, sondern erhebliche Schulden oder die Furcht vor Bestrafung wegen krimineller Delikte der wahre Anlaß zum Übertritt in die SBZ. Auch viele asoziale und arbeitsscheue Menschen sind unter den U. Mitgliedern der ehemaligen KPD wird grundsätzlich die Umsiedlung in die SBZ versagt. Sie sollen in der BRD bleiben und dort die auf den Umsturz der demokratischen Ordnung gerichteten Ziele der Zonenmachthaber unterstützen. Selbst politische Strafverfahren berechtigen den westdeutschen Kommunisten im allgemeinen nicht zur Flucht in die „DDR“, da die SED solche „Märtyrer“ für ihre Propaganda benötigt.

 

Die U. werden nach ihrer Ankunft in der SBZ für einige Wochen in sog. Aufnahmeheime eingewiesen, wo eine eingehende Überprüfung durch den Staatssicherheitsdienst erfolgt. Geeignete U. werden schon bei dieser Gelegenheit zu Spitzeldiensten genötigt (Spitzelwesen). Unzuverlässig erscheinende und nicht einmal für die Propaganda geeignete U., vor allem als asozial und kriminell erkannte Personen, werden häufig wieder in die BRD abgeschoben. Für die übrigen U. gibt es seit Errichtung der Mauer in Berlin keine Rückkehr in ihre westdeutsche Heimat mehr, da sie mit der Übersiedlung in die SBZ „Bürger der DDR“ geworden sind.

 

Personen, die erstmalig ihren Wohnsitz aus der BRD oder West-Berlin in die SBZ verlegen, können als U. vom Rat der Gemeinde gewisse finanzielle Hilfen erhalten, und zwar ein Überbrückungsgeld von 50 DM Ost, Erstattung der Unterkunftskosten für zwei Wochen und ein Darlehn von 1.000 DM Ost (bei Übersiedlung mit Angehörigen bis zu 2.000 DM Ost) zur Anschaffung von Hausrat. Im Gegensatz zu den früheren Bestimmungen [S. 485]wird Rückkehrern diese Unterstützung nicht mehr gewährt. Nach einer Anweisung des Justizministeriums dürfen U. für Schulden aus Teilzahlungsgeschäften, die sie vor ihrer Übersiedlung im Westen abgeschlossen haben, grundsätzlich nicht in Anspruch genommen werden.

 

Die Zwangsvollstreckung aus westdeutschen Schuldtiteln wird grundsätzlich nicht genehmigt.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 484–485


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.