Wahlen (1963)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1965 1966 1969 1975 1979 1985
In der SBZ wie in allen totalitären Staaten haben W. nicht den Zweck, die Richtung der Politik zu bestimmen; es sollen vielmehr die schon vorher als „gewählt“ feststehenden Kandidaten bestätigt werden, die dem Regime als am besten geeignet erscheinen, die Generallinie der Partei durchzusetzen. Infolgedessen haben W. lediglich den Charakter von Abstimmungen. Denn bei allen W., die seit 1949 in der SBZ stattfanden, gab es nur eine Einheitsliste der „Kandidaten der Nationalen Front“, so daß die Entscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten ausgeschlossen war und ist: So bei den W. zum III. Volkskongreß (15.–16. 5. 1949), aus denen letzten Endes die provisorische Volkskammer hervorging, so auch bei den W. zur 1. (15. 10. 1950) wie zur 2. Volkskammer (17. 10. 1954) und zur 3. Volkskammer (16. 11. 1958), den sog. „Volkswahlen“. W. sollen nach Art. 51 und 109 der Verfassung im allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Verfahren stattfinden. Wahlberechtigt ist jeder Einwohner der „DDR“, der am Wahltage das 18. Lebensjahr vollendet hat, wählbar ist jeder nach Vollendung des 21. Jahres (Art. 52 der Verfassung).
W.-Vorschläge dürfen nicht nur die Parteien, sondern all jene „Vereinigungen aufstellen, die nach ihrer Satzung die demokratische Gestaltung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens der gesamten Republik erstreben und deren Organisation das ganze Staatsgebiet umfaßt“ (§ 17 des W.-Gesetzes von 1954). Diese Parteien und Vereinigungen haben laut § 18 „das Recht, gemeinsame Wahlvorschläge einzubringen“, d. h. also, daß die von der SED beherrschten Massenorganisationen mit dieser gemeinsam die Kandidatenlisten und damit die Volkskammer beherrschen, wogegen die restlichen Parteien, sofern bei ihnen überhaupt noch Wille und Möglichkeit zur Opposition vorhanden wären, auf Grund der Bestimmungen der Blockpolitik sich nicht zu Koalitionen zusammenschließen dürfen. Die letzte in der SBZ durchgeführte W. vom 16. 11. 1958 war ebenso wie alle vorhergehenden, einschl. der W. in den Gemeinden, Kreisen, Ländern und Bezirken, ein ausgesprochener W.-Betrug. W.-Kabinen und Stimmzettelumschläge fehlten vielfach. In den neuen Bestimmungen für die W.-Handlung (§§ 37–39 des W.-Gesetzes von 1954) fehlt der Hinweis auf die Geheimhaltung. Eine Ablehnung der Einheitsliste ist sogar technisch unmöglich, da der Stimmzettel keinen Raum dafür enthält. Jedes weitere Risiko schaltet die SED durch W.-Terror aus. Es wurde lange vorher eine „spontane Volksbewegung“ für die offene Stimmabgabe inszeniert. Wer auf geheimer Abstimmung bestand, machte sich dringend verdächtig. Betriebe und Einzelpersonen mußten durch Selbstverpflichtungen ihre 100prozentige und offene Stimmabgabe beschließen. Weiterer W.-Betrug wurde, falls noch erforderlich, bei der Stimmauszählung begangen und ist dokumentarisch belegt. W. in der SBZ kommen unter den gegebenen Voraussetzungen einem Verfassungsbruch gleich; jedes W.-Ergebnis ist gefälscht und daher für die Beurteilung der Einstellung der Bevölkerung nicht maßgebend. Was für die allgemeinen W. zu den Volksvertretungen gilt, trifft im übertragenen Sinn auch für die W. zu den Vorständen der Organisationen zu. (Wählerauftrag, Wählerversammlung) W. finden auch für die Vorstände und Leitungen der Parteien und Massenorganisationen statt. Auch hier geht es darum, durch Akklamation vorher bestimmte Kandidaten widerspruchslos zu bestätigen.
Literaturangaben
- Die Wahlen in der Sowjetzone, Dokumente und Materialien. 6., erw. Aufl. (BMG) 1964. 216 S.
- Wahlen gegen Recht und Gesetz — die Gemeinde- und Kreistagswahlen in der Sowjetzone … 1957. (BMG) 1957. 99 S. m. 20 Bildern und Dokumenten.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Achte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1963: S. 512
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