DDR von A-Z, Band 1965

Chinesisch-Sowjetischer Konflikt (1965)

 

 

Siehe auch die Jahre 1966 1969


 

Seit Herbst 1958 entbrannter Gegensatz zwischen dem von Chruschtschow geführten Block der kommunistischen Parteien aller europäischen Volksdemokratien (außer Albanien) sowie der Mehrheit der kommunistischen Parteien in den westlichen Ländern und der Entwicklungswelt auf der einen Seite und der kaum weniger mitgliedstarken von Mao geführten Gruppe vorwiegend asiatischer Kommunisten anderseits. Der zunächst um die Verbindlichkeit und Einschätzung der sog. chinesischen Volkskommunen geführte Streit hatte sich nach oberflächlicher Kittung der Gegensätze auf der über dreiwöchigen Konferenz von 81 kommunistischen Parteien im Nov. 1960 erneut verschärft und ausgeweitet. Er scheint in Fragen der innerbolschewistischen Blockhegemonie (Soll Moskau oder Peking führen?) wie in nationalistischen und Rassenstreitigkeiten (Sind die Russen als „Weiße“ faire Partner der farbigen Völker? — Streitereien um den Grenzverlauf zwischen Rußland und China am Amur) wie in den unterschiedlichen Gegebenheiten industrieller und vorindustrieller Gesellschaften wie auch in anscheinend echten Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der verbindlichen ideologischen Linie motiviert (Sind Weltkriege im Nuklearzeitalter vermeidbar, wie es der UdSSR-Block für wahrscheinlich hält? — Soll man, wie wieder dieser meint, die nationaldemokratischen Führungen in der Entwicklungswelt unterstützen oder dort die direkte revolutionäre Aktion anstreben?). Ein Versuch, die ideologischen Meinungsverschiedenheiten beizulegen, scheiterte im Juli 1963; die Chinesen warfen in diesem Zusammenhang den Sowjet-Bolschewisten (fraglos nicht mit Unrecht) in 25 brillant formulierten Thesen vor, daß sie „Reformisten“ und „Revisionisten“ seien und daß Chruschtschow keineswegs als legitimer Erbe Lenins anzusehen sei. Nachdem die Russen den chinesischen Aufbau schon Jahre vorher durch Abzug ihrer technischen Spezialisten und erhebliche Reduzierung ihres Außenhandels mit der Volksrepublik China empfindlich getroffen hatten, trat seither ein Zustand nahezu offener Feindseligkeit ein. Wieweit der im Okt. 1964 erfolgte Sturz Chruschtschows auf den CSK. zurückzuführen war und insbesondere eine Aufweichung der verhärteten Fronten ermöglicht, muß angesichts der überwiegend sachlich begründeten Differenzen offenbleiben. (Marxismus-Leninismus, Polyzentrismus, Lager, Sozialistisches Weltsystem)


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 85


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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