
Entwicklungsländer (1965)
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In der Außenhandelspolitik gegenüber den E. verknüpft der Sowjetblock nach marxistisch-leninistischem Prinzip wirtschaftliche Beziehungen eng mit politischen Aufgaben.
Von besonderem Interesse sind die Länder des afro-asiatischen Raumes und in Lateinamerika die Staaten, die mit wirtschaftlichen und innenpolitischen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, und daher dem sozialistischen Lager schnelle Erfolge versprechen. Der Sowjetblock fördert den industriellen Aufbau dieser Länder durch Industrieanlagen und Einrichtungen zur eigenen Verarbeitung der Rohstoffe im Austausch gegen die landesüblichen Rohstoffe und Produkte. Den Schwerpunkt sieht das SED-Regime in der Intensivierung des Handels mit diesen Ländern, um sich Vormachtstellung gegenüber dem freien Westen durch direkten Bezug der Landesprodukte unter Ausschaltung europäischer Zwischenhändler zu schaffen. Besonders bevorzugt werden die E., die ihren Außenhandel bereits verstaatlicht haben (VAR, Indien, Indonesien, Ghana).
Den E. werden überwiegend langfristige Warenkredite eingeräumt, die von der Deutschen Notenbank finanziert werden. Die Ausreichung von Valutakrediten ist der SU als der führenden Macht im Sowjetblock vorbehalten, die unter gelegentlicher Mitwirkung ihrer Satelliten bis 1963 Kreditzusagen in Höhe von 3,3 Milliarden Dollar gemacht hat. Die tatsächliche Kreditinanspruchnahme der E. liegt aber nur bei rund 40 v. H. Innerhalb dieses Rahmens leistete die SBZ nur einen spärlichen Beitrag von 42 Millionen Dollar = 1,3 v. H. der Gesamtsumme. Die Kreditverzinsung ist mit 2,5 v. H. jährlich sehr niedrig. Die D. müssen sich dafür aber dem Preisdiktat der Ostblockländer in ihren Handelsbeziehungen fügen. Die Angebote aus den sozialistischen Ländern scheinen den E. zunächst verlockend. Auf lange Sicht wird dadurch aber mehr gekauft als verkauft, und mit den langfristigen Abnahmeverpflichtungen für die Haupterzeugnisse seitens der Kreditgeber werden viele E. vom Weltmarkt isoliert und restlos dem Ostblock ausgeliefert. Stellt man die Summe der Leistungen allein der BRD mit 5,2 Milliarden Dollar für die Zeit von 1950–1962 gegenüber, kann die Wirtschaftshilfe des Ostens auch nicht entfernt mit den Hilfeleistungen des Westens konkurrieren.
Die in den Ländern errichteten Handelsvertretungen mit „konsularischem Charakter“ dienen auch der Sicherung politischer Verbindungen. Neben der technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit wird eine sog. „Ausbildungshilfe“ für fachliche Nachwuchskräfte gewährt, die in der SBZ zusätzlich gründlicher „ideologischer“ Schulung unterzogen werden. Diese Aufgabe versieht z. B. das „Deutsche Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft“ an der Universität Leipzig. Zusätzlich ist die SBZ bestrebt, durch enge politische Bindungen sozialistische Aufklärungszentren in den E. zu schaffen, von denen bisher die Deutsch-Afrikanische Gesellschaft, die Deutsch-Arabische Gesellschaft, die [S. 114]Deutsch-Lateinamerikanische Gesellschaft sowie die Deutsch-Südostasiatische Gesellschaft ihre Tätigkeit aufgenommen haben.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 113–114