
Handwerk (1965)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979 1985
In der SBZ gelten als Handwerksbetriebe für Betriebe mit bis zu 8 Beschäftigten, die handwerkliche Produktions-, Reparatur- und Dienstleistungen verrichten und in der 8. DB zum „Gesetz zur Förderung des Handwerks“ vom 23. 12. 1956 aufgeführt sind. Voraussetzung ist ferner die Eintragung in die H.-Rolle. Alle anderen Handwerksbetriebe wurden als Kleingewerbebetriebe in die Gewerberolle und damit in den Zuständigkeitsbereich der Industrie- und Handelskammer übergeführt und einer steuerlichen Mehrbelastung unterworfen. Die Anerkennung als Handwerk wurde gegenüber der BRD noch durch die Begrenzung auf 10 Arbeitnehmer erschwert.
Bis zum Erlaß des „Gesetzes zur Förderung des Handwerks“ vom 9. 8. 1950 war das H. noch nicht den umfassenden Sozialisierungsmaßnahmen ausgesetzt, da die SBZ nach [S. 177]der Enteignungswelle im industriellen Sektor auf die Initiative und das Leistungspotential des H. zur Wiederbelebung der Konsumgüterversorgung angewiesen war. Das H. wurde aber durch Einbeziehung in das Vertragssystem an die VEW gebunden und in seinen freien Dispositionen stark eingeengt. Gleichzeitig wurden Verordnungen über die Preisbildung im H. erlassen. Die Bildung von Einkaufs- und Liefergenossenschaften zur wirksamen Kontrolle wurde gefördert. Diese Genossenschaften erhalten staatliche Vergünstigungen und vorteilhaftere Kreditbedingungen. Fast sämtliche H.-Betriebe mußten sich den Genossenschaften anschließen, um Aufträge und Material zu erhalten.
Vor dem Krieg gab es auf dem Gebiet der SBZ 322.000 H.-Betriebe mit rd. 980.000 Beschäftigten. Die Entwicklung seit 1950 zeigt folgende Tabelle:
Nach der Zerschlagung der Innungen und der Einschleusung linientreuer SED-Genossen in die wieder zugelassenen Handwerkskammern war der Weg zur Kollektivierung des H. freigemacht. 1952 wurde die Kollektivierung auf dem Sozialisierungsparteitag der SED mit der Proklamierung der Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) verankert. Zusammenschluß zu einer PGH wurde als ein Akt der Freiwilligkeit hingestellt. Da aber nur in den wenigsten Fällen die Handwerker gewillt waren, sich dem Sozialisierungsdiktat zu beugen, mußte politischer und wirtschaftlicher Druck nachhelfen.
Im Gegensatz zu dem freien Westen handelt es sich bei solchen Genossenschaften um „staatlich“ gelenkte Einrichtungen, die den Handwerksmeister zum Angestellten und sogar zum Lohnarbeiter degradieren. Einen Anreiz boten die Förderungsmaßnahmen der PGH in der VO vom 18. 8. 1955. Handwerker in den Landgemeinden wurden den LPG eingegliedert und zählen trotz ihrer handwerklichen Tätigkeit nicht mehr als Handwerker. Die Tätigkeit einer PGH ist nach Musterstatut und Betriebsordnung organisiert. Mitglieder einer PGH können nicht nur selbständige Handwerker und Inhaber von Kleinbetrieben werden, sondern auch Gesellen, Arbeiter, Ingenieure, Techniker, Angestellte, Heimarbeiter und mithelfende Familienangehörige.
Ähnlich wie in der LPG gibt es 2 Stufen. Während in der ersten Stufe der Handwerker noch mit eigenen Maschinen und in eigener Werkstatt dezentralisiert arbeitet und an die PGH eine Nutzungsgebühr entrichtet, finden Produktion und Reparaturen in der zweiten Stufe im gesamten Werkstattbereich statt. In dieser Stufe verliert der Handwerker restlos seine Selbständigkeit. Ein Austritt aus einer PGH ist kaum noch möglich, da der Handwerker je nach den Stufen mit einer Werterstattung erst innerhalb von zwei bis zehn Jahren rechnen kann, und das auch nur, wenn die PGH dadurch nicht in finanzielle Schwierigkeiten kommt. Zudem kann der Handwerker nicht mit einer neuen Gewerbegenehmigung rechnen.
Die Zahl der PGH stieg 1958 durch die verschärfte Agitation gegen das private H. sprunghaft an. Nach der sozialökonomischen Struktur haben die PGH erst einen Anteil von 36,1 v. H. der gesamten Leistungen des H. erreichen können, obwohl die privaten Handwerksbetriebe gegenüber 1950 zahlenmäßig um etwa 50 v. H. zurückgegangen sind.
Eine kapazitätsmäßig bessere Auslastung des H. verspricht sich das Regime von der Einbeziehung des privaten H. und der PGH in die Erzeugnisgruppen, deren ökonomisches Führungsorgan die VVB des jeweiligen Industriezweiges ist und die das H. auch ohne unbeliebte Maßnahmen der Kontrolle durch „Partei und Staat“ unterwerfen.
Eine forcierte Sozialisierung des H. ist im Augenblick für das Regime nicht tragbar, da jede Umstellung auf genossenschaftliche Arbeit Produktionsausfälle mit sich bringt, die die schon bestehenden Versorgungsschwierigkeiten auf dem Reparatur- und Dienstleistungssektor nur noch verschärfen würden.
Mit dem Gesetz vom 30. 11. 1962 wurde die bisherige Steuerbefreiung der PGH auf die ersten zwei Jahre ihres Bestehens beschränkt, wenn die hieraus angefallenen Beträgt für Investitionen im eigenen Betrieb Verwendung finden. Die PGH unterliegen jetzt einer Gewinnsteuer und die Mitglieder einer Erhöhung der Sätze für die Mehrleistungsvergütung. (Steuern)
Die Industriepreisreform in dem Neuen ökonomischen System verändert das Preisgefüge der Grund-, Roh- und Hilfsstoffe, und trifft auch das H. Dadurch bedingte Preiserhöhungen sollen durch Subventionen des „Staates“ bei Absinken unter eine bestimmte Rentabilitätsrate aufgefangen werden.
Literaturangaben
- Plönies, Bartho: Die Sowjetisierung des mitteldeutschen Handwerks. Ein Bericht über die Lage des Handwerks in der sowjetischen Zone. 2., erg. Aufl. (BB) 1953. 136 S. m. 19 Anlagen.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 176–177
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