DDR von A-Z, Band 1965

Liberman-Diskussion (1965)

 

 

Siehe auch die Jahre 1966 1969 1975 1979 1985


 

Im Sept. 1960 in der SU — offensichtlich mit voller Billigung Chruschtschows — durch eine Veröffentlichung des Charkower Wirtschaftsprofessors Liberman eingeleitete öffentliche Diskussion über eine Reform der Planung und Leitung der Wirtschaft. Das Hauptargument von Prof. Liberman war: Die Arbeitsleistung jedes einzelnen Mitarbeiters in den Betrieben, die Produktivität der Betriebe und damit die Gesamtproduktivität der Wirtschaft können mit dem bisher praktizierten System der Wirtschaftsleitung nicht optimal entwickelt werden. Es sei daher notwendig, den Betrieben mehr Freiheit zu geben. Die zentrale Planung solle sich auf die Festsetzung des Produktionsvolumens, des Sortiments und der Liefertermine beschränken und den Betrieben mehr eigene Befugnisse und Dispositionsmöglichkeiten geben. Vor allem sollten die Betriebe Einfluß nehmen können auf die Preise mit dem Ziel, zu einer wirklichen Deckung der Selbstkosten zu kommen. Der Betriebsgewinn müsse im Mittelpunkt des Wirtschaften der Betriebsleitungen und der Belegschaften stehen. Dazu müsse auch das System der Prämien geändert werden, insbesondere müsse die Prämienhöhe für alle Betriebsangehörigen echte Anreize zur Leistungssteigerung bieten.

 

Die Veröffentlichung Prof. Libermans löste teils Zustimmung, teils heftige Ablehnung aus. Zu den Ablehnern der Vorschläge gehörten insbesondere die Politfunktionäre.

 

Sie argwöhnen, daß eine Lockerung der Zentralverwaltungswirtschaft in letzter Konsequenz die Macht der Partei über die Wirtschaft untergraben müsse. Auf der November-Tagung (1962) des ZK der KPdSU zeigte es sich, daß Chruschtschow zu einem Kompromiß bereit war. Im Anschluß an seine Rede beschloß das ZK, die Führung der Wirtschaft durch von der Partei kontrollierte zentrale Instanzen beizubehalten. Die Parteiorganisation und ihre Funktionäre sollen geschult werden, um sie zu befähigen, die Wirtschaft sachkundiger als bisher anzuleiten und zu kontrollieren.

 

Andererseits beschloß das ZK, den Forderungen der Wirtschaftsfunktionäre nach größerer Selbständigkeit und erweiterter Dispositionsbefugnis etwas entgegenzukommen. Bezüglich der Rolle des „Gewinns“ aber wurde betont, daß dieser zwar für den einzelnen Betrieb Gradmesser sein könne, daß aber die Volkswirtschaft als Ganzes nicht nach diesem Prinzip geplant werden könne. Da am Prinzip der staatlichen Festpreise festgehalten wird und nach wie vor der zentrale Plan gilt, führte die LD. nicht zu einer grundlegenden Änderung des Wirtschaftssystems in der SU. Die LD. hatte auch Auswirkungen in der SBZ, führte aber auch dort nicht zu einem Systemwechsel. (Neues ökonomisches System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft)


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 261


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.