DDR von A-Z, Band 1965

Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen (1965)

 

 

Siehe auch:


 

„Die Verhandlungen vor den Gerichten sind öffentlich“ — dieser Grundsatz des Art. 133 der Verfassung und des § 4 des sowjetzonalen GVG wird durch die Feststellung im Staatsratserlaß über die Rechtspflege vom 4. 4. 1963 (GBl. I, S. 21) noch unterstrichen: „Die Teilnahme der Bevölkerung an gerichtlichen Verhandlungen trägt dazu bei, das Staats- und Rechtsbewußtsein der Werktätigen zu entwickeln, ihre Verbundenheit zu den Organen ihres sozialistischen Staates zu festigen, die erzieherische Wirkung der Hauptverhandlung zu erhöhen und die Kraft der Öffentlichkeit auf die Überwindung von Gesetzesverletzungen zü lenken.“ Gleichwohl wird der Grundsatz der Ö. häufig durchbrochen, und sogar in den großen Schauprozessen war nicht die ö. im eigentlichen Sinne, sondern nur ein bestimmter und ausgesuchter Kreis von Zuhörern zugelassen. Das OG rechtfertigt diese Praxis. Wenn an Prozessen „vor allem Werktätige teilnehmen, die auf Grund ihrer beruflichen oder gesellschaftlichen Stellung mit dem Gegenstand des Verfahrens besonders verbunden sind, dann ist die Öffentlichkeit des Verfahrens gewahrt, selbst wenn durch die Teilnahme ausschließlich solcher Zuhörer andere Interessenten nicht mehr zugelassen werden können“ („Neue Justiz“ 1955, S. 686). In den Verfahren gegen ehemalige Volkspolizisten und Angehörige der Nationalen Volksarmee ist die Ö. grundsätzlich ausgeschlossen. In den Kriegsverbrecherprozessen war die Ö. ebenfalls nicht zugelassen. Nicht öffentlich werden auch politische Strafsachen verhandelt, in denen der Angeklagte trotz aller Bemühungen nicht zu einem Geständnis gebracht wurde und die Zeugenaussagen zu einer Verurteilung nicht ausreichen. Wenn aber von einem Verfahren, insbesondere von einem Strafverfahren, eine besonders erzieherische Wirkung auf ein bestimmtes Kollektiv erwartet werden kann, dann sollen die Gerichte „geeignete Verhandlungen unmittelbar in sozialistischen Betrieben, Genossenschaften und Einrichtungen sowie zu einer Tageszeit durchführen, die es den Werktätigen ermöglicht, daran teilzunehmen“. Vertreter von sozialistischen Brigaden, Hausgemeinschaften oder anderen Kollektiven der Werktätigen sind zur Hauptverhandlung zu laden und haben die Auffassung des Kollektivs zur Tat und zur Persönlichkeit des Täters darzulegen. (gesellschaftliche Erziehung, Rechtswesen)


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 310


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.