
Preispolitik (1965)
Siehe auch:
- Preissystem: 1969
Lückenlose zentrale Planung erfordert eine umfassende autoritäre Preisfestsetzung. Daraus resultiert die Unterordnung der P. unter die Wirtschaftspolitik in der Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs, die in der SBZ praktiziert wird. Lediglich auf den Bauernmärkten (Bauernmarkt, Markt) besteht noch ein Anklang an eine marktmäßige Preisbildung, wobei die für Lebensmittelfestgesetzten Preise als Orientierungsgrößen vorgegeben sind. Diese Preise sollen, den volkswirtschaftlichen Zielen entsprechend, Produktion, Verbrauch und Konsum fördern und lenken sowie einer planmäßigen Verteilung des Volkseinkommens dienen. Lenkungsaufgaben in der P. haben auch die Produktions- und Dienstleistungsabgabe sowie die übrigen Verbrauchssteuern zur Erhöhung der Preise.
An dem vorhandenen Preisgefüge mit den Stoppreisen von 1944 hielt man nach 1945 zunächst fest, um die Stabilität zu sichern. Die ansteigenden Preise auf dem Produktionsmittelsektor zwangen dann zur Einführung von Kalkulationspreisen, um die Verteuerung aufzufangen und mit der Produktions- und Finanzplanung abzustimmen. Bewußt wurden die Preise für Grundstoffe und Produktionsmittel möglichst niedrig gehalten und ein Ausgleich mit erhöhten Konsumgüterpreisen angestrebt. Meist aber entstand eine zusätzliche Belastung des Staatshaushaltes durch Subventionen und ein Preisausgleich im Außenhandel.
Die erste sozialistische Preisreform fußt auf dem Ministerratsbeschluß vom 15. 2. 1953 am Ende der Reparationsperiode. Die Festpreisbildung wurde eingeführt. Sie band bis 1961 rd. 95 v. H. aller industriellen Preise. Die Festpreise durften nicht über- und nicht unterschritten werden im Gegensatz zu den Hersteller-Abgabepreisen in der Privatwirtschaft, die lediglich Höchstpreise waren. Besonders ab 1955 wurden auf dieser Basis Preisneuregelungen im größeren Umfange vorgenommen.
Allgemein setzen sich die Preise aus den Selbstkosten und dem Reineinkommen zusammen, das aus dem betrieblichen und dem zentralisierten Reineinkommen besteht. Letzteres wird gegenwärtig neben der Gewinnabführung hauptsächlich in der Form der Produktionsabgabe vom Regime abgeschöpft. Im Neuen ökonomischen System wird der Gewinn zum Kriterium für die Arbeit der Betriebe und der Industriezweige und damit zu einer Hauptkennziffer. Er muß demzufolge wirtschaftliche Aussagekraft besitzen; richtungweisend sind dabei die Preise ohne alle Subventionen.
Ein grundlegendes Mittel der sozialistischen Wirtschaftsführung ist die Bestimmung eines richtigen Verhältnisses zwischen der zentralisierten Planung und der Anwendung der ökonomischen Hebel. Eckpfeiler in diesem System ist die Industriepreisreform, die exakte Preise für die Industrie und später auch für die übrigen Bereiche der Wirtschaft schaffen soll, nachdem schon im Herbst 1963 die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft heraufgesetzt worden waren. Die zum 1. 4. 1964 und zum 1. 7. 1964 ausgesprochenen Preiserhöhungen erstrecken sich nicht auf die Verbraucherpreise, sondern sollen in den einzelnen Produktions- und Handelsstufen aufgefangen werden. Diese neuen Preise werden, den unterschiedlichen Qualitäten der Erzeugnisse entsprechend, differenziert. Das führte zu einem komplizierten System von tatsächlichen Preisen, Verrechnungspreisen, Subventionen auf Produktionszwischenstufen und auf Verbraucherbasis, das in vielen Fällen noch dadurch erschwert wird, daß vielfach die Weiterverkaufspreise noch gar nicht geregelt sind und das alte Preisniveau noch in Ansatz kommen muß.
Ob diesen Schwierigkeiten der schwerfällige Apparat der Planwirtschaft gewachsen ist, bleibt dahingestellt. Auch diese neuen Preise werden staatlich manipulierte Preise sein. Damit ist eindeutig klargestellt, daß die gegenüber früheren Regelungen elastischere Preisbildung noch nicht als marktwirtschaftliches Element angesprochen werden kann.
Diese preispolitischen Maßnahmen treffen alle industriellen Abnehmer und Verbraucher und verschonen auch nicht den noch in der SBZ bestehenden privatwirtschaftlichen Sektor, die Privatindustrie, halbstaatliche Betriebe, das Handwerk und die Produktionsgenossenschaften des Handwerks. Die steigenden Kosten wirken sich natürlich gewinnmindernd aus. Diese Lage sah man voraus, und auf Grund von Überprüfungen der preispolitischen Auflagen auf die Rentabilität der Betriebe wurden Maßnahmen erwogen, die bei einem übernormalen Absinken des Nettoeinkommens der genannten Kreise durch diese Mehraufwendungen einen Ausgleich schaffen sollen, da das Regime noch nicht auf die wirtschaftl. Mitarbeit dieses privaten Sektors verzichten kann. Eine Entlastung des Staatshaushaltes durch Minderung der Subventionen in der Grundstoffindustrie wird die Industriepreisreform zunächst nicht bringen können, da die verlagerten Subventionen wie auch die höher in Ansatz gebrachten Selbstkosten in der Übergangszeit vielfach zu einer Gewinnminderung der Betriebe und damit auch zu einer Minderung des Reineinkommens des Staates über die volkseigene “Wirtschaft führen können, ohne die Einwirkung auf die Produktionsabgabe zu berücksichtigen. Anzunehmen ist, daß die Industriepreisreform in der Folgezeit die Struktur des Staatshaushaltes in seinen Beziehungen zu der Wirtschaft verändern wird.
Literaturangaben
- Kitsche, Adalbert: Die öffentlichen Finanzen im Wirtschaftssystem der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. (BMG) 1954. 68 S. m. 1 Anlage.
- Kitsche, Adalbert: Das Steuersystem in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Gelsenkirchen 1960, Buersche Druckerei Dr. Neufang. 187 S. m. zahlr. Tab.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 332
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