
Rückkehrer (1965)
Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1966 1969 1975 1979
Das SED-Regime, das selber Flüchtlinge und Fluchthelfer strafrechtlich verfolgt (Republikflucht, Abwerbung, Menschenhändler), macht seinerseits große Anstrengungen, Bürger der BRD zur Übersiedlung (Umsiedler) und Flüchtlinge zur Rückkehr in die SBZ zu veranlassen. Eine ständige besondere Rundfunksendung, „Die Brücke“ (Rundfunk), hat ausschließlich die Aufgabe, die „DDR-Bürger in Westdeutschland“, wie die Sowjetzonen-Flüchtlinge von der SED-Propaganda seit Herbst 1963 bezeichnet werden, zur Rückkehr zu bewegen. In diesen Sendungen werden einzelne Flüchtlinge durch frühere Arbeitskollegen oder Bekannte direkt angesprochen. Durch Erlaß des Staatsrates vom 21. 8. 1964 (GBl. I, S. 128) ist ausdrücklich erklärt worden, daß „Bürger der DDR, die außerhalb der DDR wohnen“, das Recht haben, jederzeit ihren Wohnsitz in der „DDR“ zu nehmen. Dieses Recht geht nur verloren, wenn die Staatsbürgerschaft (Staatsangehörigkeit) „wegen grober Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten aberkannt wird“. Flüchtlingen, die vor dem 13. 8. 1961 die SBZ verlassen haben, wird für „diese Gesetzesverletzung“ Straffreiheit zugesichert.
Die Zusage der Straffreiheit wird im allgemeinen eingehalten. Wenn im Einzelfall dennoch eine Bestrafung des R. aus politischen Gründen für notwendig gehalten wird, insbesondere bei früheren Staats- oder Parteifunktionären oder Angehörigen der bewaffneten Kräfte, werden vor der Flucht angeblich begangene Straftaten oder die Meldung im westlichen Notaufnahmelager, die dann als Spionage oder Hetze bezeichnet wird, als Vorwand für ein [S. 369]Strafverfahren benutzt. Wie die Umsiedler werden die R. in der SBZ zunächst in sogenannte Aufnahmeheime eingewiesen, in denen sie einer eingehenden politischen Überprüfung unterzogen werden. Hierbei ist vor allem der Staatssicherheitsdienst eingeschaltet, der viele der unter dem Druck einer möglichen Bestrafung stehenden R. zu Spitzeldiensten zu nötigen sucht (Spitzelwesen).
Genaue Zahlenangaben über R. fehlen. In der BRD gibt es keine Registrierung von Abwanderern. Die SED vermeidet es, Zahlen für längere Zeiträume zu veröffentlichen. Es wird stets behauptet, daß „der Strom der R. und Umsiedler ständig wachse“. Tatsächlich kann man aber selbst den von der SED-Propaganda veröffentlichten Zahlen entnehmen, daß die Zahl der Umsiedler seit 1961 auf weniger als 1.000 Personen im Monat, davon mehr als die Hälfte R., zurückgegangen ist.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 368–369
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