DDR von A-Z, Band 1965

Titoismus (1965)

 

 

Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1966


 

Jugoslawien hatte sich während des zweiten Weltkrieges unter der Führung der kommun. Partei, mit Tito an der Spitze, mit einer durchorganisierten Partisanenarmee, im Gegensatz zu den übrigen Staaten des Ostblocks, von der Besetzung durch die deutsche Armee weitgehend selbst befreit. Daraus leitete die Staats- und Parteiführung Jugoslawiens, die sich zunächst wie alle anderen Satellitenstaaten dem Führungsanspruch der KPdSU unterworfen hatte, den Anspruch ab, den von Moskau genehmigten Sonderweg zum Sozialismus weiter zu beschreiten, als es Stalin genehm war. Es kam darüber zu Auseinandersetzungen mit Moskau und 1948 zur Kominform-Resolution, durch die Jugoslawien aus dem Verband der moskauhörigen Staaten ausgeschlossen wurde.

 

Tito bemühte sich danach, innenpolitisch den Beweis zu erbringen, daß das jugoslawische kommun. System der marxistischen Theorie mehr entspreche als das sowjetische. Wesentliche Maßnahmen in diesem Zusammenhang: Einbeziehung der „Arbeiterräte“ in die betriebliche Selbstverwaltung, einschließlich der Einflußnahme auf Investitionen, Produktionsrichtung, Preisbildung und Gewinnverteilung; Lockerung des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens mit Akzentuierung der innergenossenschaftlichen Demokratie; Zulassung westlicher Presse und Literatur; Freigabe des künstlerischen Produktionsstils (entgegen den Forderungen des „sozialistischen Realismus“); Option für eine „blockfreie“ Außenpolitik bei grundsätzlicher Anerkennung der Moskauer Linie auch in der Deutschland-Frage — und starkem Engagement für die Gewinnung der Entwicklungsländer für Chruschtschows Koexistenz-Taktik.

 

Seit 1955 Wiederannäherung der UdSSR an Jugoslawien, das von Chruschtschow auf dem VI. Parteitag der SED als sozialistischer Staat anerkannt worden ist, nachdem die internationalen Kommunistenkongresse von 1957 und 1960 noch Vorbehalte machten. Demzufolge verschärfte Angriffe Chinas auf den T. (Chinesisch-sowjetischer Konflikt, Sozialistisches Weltsystem). Die SBZ-Führung hat sich in ihrer vorbehaltlosen Kreml-Treue der Rehabilitierung des T. anschließen müssen, nachdem in der Aera Stalin eine Anzahl von politischen Funktionären Mitteldeutschlands unter dem Vorwurf des T, verhaftet und abgeurteilt worden waren.

 

Literaturangaben

  • Leonhard, Wolfgang: Sowjetideologie heute, Bd. II — Die politischen Lehren (Fischer-Bücherei, 461). Frankfurt a. M., 1962. 328 S.
  • Brzezinski, Zbigniew K.: Der Sowjetblock — Einheit und Konflikt (a. d. Amerik.). Köln 1962, Kiepenheuer und Witsch. 581 S.
  • Djilas, Milovan: Gespräche mit Stalin (a. d. Amerik.). Frankfurt a. M. 1962, S. Fischer. 271 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 434


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Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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