DDR von A-Z, Band 1965

Warschauer Beistandspakt (1965)

 

 

Siehe auch:


 

Zwischen der UdSSR, Albanien, Bulgarien, der „DDR“, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei und Ungarn wurde in Warschau am 14. 5. 1955 auf 20 Jahre ein Vertrag zur gegenseitigen militärischen Hilfeleistung vereinbart. Dieser WB. soll im Falle eines Angriffs in Europa auf einen oder mehrere Unterzeichnerstaaten gelten.

 

Die Teilnehmer des WB. behaupten seit je, er sei allein hervorgerufen durch Angriffsvorbereitungen des NATO-Blocks und die (am 5. 5. 1955 besiegelte) Einfügung der BRD in die friedensbedrohende NATO. In Wirklichkeit aber ergänzt der WB. nur: 1. die Beistandspakte, die die SU 1943 mit der Tschechoslowakei, 1945 mit Polen und 1947 mit Rumänien, Ungarn und Bulgarien schloß; 2. einige Beistandsverträge unter den Satelliten (1947–1948). Und tatsächlich ist die NATO, durch sowjet. Erpressungen, Vertragsbrüche und Angriffsrüstungen verursacht, nur eine Verteidigungsorganisation, die schon rein kräftemäßig keine Angriffe unternehmen kann.

 

Wesentlich ist, daß der WB. die milit. und polit. Vorherrschaft der SU über die europäischen „Volksdemokratien“ beträchtlich verstärkt. Die §§ 3 und 4 sehen gegenseitige „Konsultation“ bei drohender Gefahr eines bewaffneten Angriffs vor. Dafür besteht (lt. § 6) der „Politische Beratende Ausschuß“. Seit Jan. 1956 hat dieser an sich nichtständige Ausschuß zwei Hilfsorgane: eine „Ständige Kommission“ und ein „Vereintes Sekretariat“. Der WB. trat mit Hinterlegung aller Ratifikationsurkunden am 6. 7. 1955 in Kraft. Erst am 28. 1. 1956 wurde die „DDR“ als Militärverbündeter des WB. voll anerkannt. Denn die Streitkräfte der SBZ waren bis zum 18. 1. 1956 nur als Kasernierte Volkspolizei aufgetreten. Nun aber brachte die „DDR“ ihre Nationale Volksarmee in den WB. ein. Seit dem 28. 6. 1956 hat der Minister für Nationale Verteidigung der SBZ die Stellung eines der Stellv. des Oberkommandierenden der Vereinigten Streitkräfte der Teilnehmerstaaten des WB.

 

Unter der Bezeichnung „Vereintes Kommando“ hat (lt. § 5) der WB. ein eigenes zentrales Oberkommando für jene Teile der Streitkräfte der Teilnehmerstaaten, die dem WB. zur Verfügung gestellt sind; denn nur die Streitkräfte der SBZ gehören als ganze den „Vereinten Streitkräften“ des WB. an. Sitz: Moskau.

 

An der Spitze des „Vereinten Kommandos“ [S. 471]wirkt ein Oberkommandierender, den ein Stab der „Vereinten Streitkräfte“ unterstützt. Seine 8 Stellv. sind Verteidigungsminister oder andere Generale der Mitgliedsstaaten. Seit Jan. 1956 ist es „Beschluß“ der Teilnehmerstaaten (d.h. Anordnung der SU), daß die Stelle des Oberkommandierenden stets von einem Sowjetgeneral besetzt werden soll. Derzeit ist Oberkommandierender: Marschall der SU Gretschko ab 22. 7. 1960. Er ist zugleich einer der Stellv. des Verteidigungsmin. der SU.

 

Der „Polit. Beratende Ausschuß“ der Teilnehmer des WB. unterstützt auf seinen Tagungen die Politik der SU. — Die milit. Stärke des WB. ist, verglichen mit jener der NATO, unter Berücksichtigung der Bevölkerungszahlen der NATO-Staaten, sehr beträchtlich und bedrohlich. (Militärpolitik)

 

Literaturangaben

  • Brzezinski, Zbigniew K.: Der Sowjetblock — Einheit und Konflikt (a. d. Amerik.). Köln 1962, Kiepenheuer und Witsch. 581 S.
  • Dallin, David J.: Die sowjetische Außenpolitik seit Stalins Tod (a. d. Amerik.). Köln 1961, Kiepenheuer und Witsch. 640 S.
  • Hamm, Harry: Rebellen gegen Moskau — Albanien, Pekings Brückenkopf in Europa. Köln 1962, Verlag Wissenschaft und Politik. 224 S., 32 Abb.
  • Höpker, Wolfgang: Europäisches Niemandsland — Moskaus Zwischeneuropa vom Nordkap bis Kreta. Düsseldorf 1956, Eugen Diederichs. 167 S.
  • Höpker, Wolfgang: Die Ostsee — ein rotes Binnenmeer? (Beih. 8 der Wehrwiss. Rundschau). Berlin–Frankfurt a. M. 1958, E. S. Mittler u. S. 94 S. m. 7 Karten.
  • Meissner, Boris: Das Ostpaktsystem (Dokumente, hrsg. v. d. Forschungsstelle für Völkerrecht … der Universität Hamburg, H. 18). Frankfurt a. M. 1955, Alfred Metzner. 208 S.
  • Der Warschauer Pakt — Dokumentensammlung. Hrsg. von Boris Meissner (Dokumente zum Ostrecht, Bd. 1). Köln 1961, Verlag Wissenschaft und Politik. 205 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 470–471


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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