
Gleichheit (1965)
Siehe auch das Jahr 1966
Neben der Freiheit Grundprinzip der modernen Demokratie, das vor allem die staatsbürgerliche und rechtliche Gleichstellung aller Staatsangehörigen zum Inhalt hat, daneben indes auf Fragen wie die der G. der Bildungs- und Berufschancen (und mithin des sozialen Starts) oder etwa auch die der Gleichberechtigung der Geschlechter hinführt. Nach allgemeiner Ansicht der westlichen Politologen und Psychologen schränken sich G. und Freiheit wechselseitig ein — nicht zuletzt eine Folge angeborener Verschiedenartigkeiten und kaum reversibler historischer Prozesse. Während die westlich-bürgerliche Tradition, vor allem in der Nachfolge von J. Locke und Montesquieu, dem Prinzip der Freiheit den Vorrang gab, hat sich der Marxismus-Leninismus mit seinem ursprünglichen sozialpolitischen Anliegen für den Vorrang der G. — in Nachfolge J. J. Rousseaus — entschieden. Demgemäß wurde die kommun. „Idealgesellschaft“ als vorwiegend „egalitär“ konzipiert. Praktisch hat man indes, schon seit den 20er Jahren, in der UdSSR — und später in den Volksdemokratien — nur die alte Ungleichheit durch eine neue ersetzt (die prinzipiell nur für die Übergangsphase der Diktatur des Proletariats gelten sollte). Ebenso wie man den herrschaftlichen Bereich nicht eliminieren konnte (sondern vielmehr praktisch die Herrschaft einmal (über die Partei) institutionalisierte und überdies oligarchisierte, gibt man neuerdings auch die anlagemäßige Ungleichheit und die daraus im Gemeininteresse resultierende Unterschiedlichkeit von Ausbildung, Entlohnung, Privilegien usw. als gerechtfertigt zu. So bleiben — auf Kosten der Freiheit — nur einige Elemente sozialer G.: grundsätzliche G. zwischen den Geschlechtern, relative (1) G. der Startchancen sowie vorerst als Rest der angestrebten sozialen Gleichstellung die Sicherung des Existenzminimums für die sozial Schwächsten vermittels einer manipulierten ausgesprochen anti-egalitären Preispolitik. Auch während des „Aufbaus des Kommunismus“ sollen keineswegs mehr alle „das Gleiche“ erhalten, sondern es sollen nur als legitim akzeptierte Bedürfnisse befriedigt werden.
Literaturangaben
- Djilas, Milovan: Die neue Klasse — eine Analyse des kommunistischen Systems. München 1958, Kindler. 284 S.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 164
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