Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) (1965)
Siehe auch:
Im Zuge der Bodenreform 1945 bildeten sich örtliche Komitees und Ausschüsse der „gegenseitigen Hilfe“, aus denen im Frühjahr 1946 die durchgegliederte Organisation der VdgB entstand. Die örtlichen VdgB wurden zu Kreisvereinigungen, diese zu Landesvereinigungen zusammengeschlossen und als Körperschaften des öffentlichen Rechts von den Länderregierungen anerkannt. Auf dem ersten „Deutschen Bauerntag“ im Nov. 1947 (Deutscher ➝Bauernkongreß) wurde die Zusammenfassung aller Vereinigungen in der Zentralvereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (ZV dgB) beschlossen. Durch SMAD-Befehl Nr. 61 wurde sie ebenfalls Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das leitende Organ ist der Hauptausschuß, dessen Mitglieder auf dem „Deutschen Bauerntag“ gewählt werden; die Führung der laufenden Geschäfte ist einem Hauptvorstand übertragen.
Die VdgB stellt einen in Deutschland neuartigen, theoretisch auf gegenseitiger Hilfe der Bauernschaft basierenden Organisationstypus dar, grundverschieden von Bauernverbänden, Landwirtschaftskammern und Genossenschaften westdeutscher Prägung. Ursprünglich durch die Übertragung enteigneter Betriebseinrichtungen zum Aufbau von MAS und Deckstationen sowie der Wirtschaftsberatung mit weitgehenden betriebswirtschaftlichen Aufgaben betraut, wurde die VdgB im Laufe der Zeit als „Massenorganisation der werktätigen Bauern“ zum politischen Machtinstrument der SED auf dem Lande. Die bis 1950 selbständigen ländlichen ➝Genossenschaften (Raiffeisen) wurden als „Bäuerliche Handelsgenossenschaften“ eingegliedert und gleichgeschaltet. Daher führte die Organisation vom 20. 1. 1950 bis 1954 die Bezeichnung VdgB (BHG). In ihre Zuständigkeit fielen Bezug und Abgabe von mineralischen ➝Düngemitteln und sonstigen Bedarfsartikeln an den privaten Sektor der Landwirtschaft, während die LPG, VEG und ÖLB von den staatlichen ➝Kreiskontoren für landw. Bedarf versorgt werden. Zudem war die VdgB nach 1952 beauftragt, die Bildung von ständigen ➝Arbeitsgemeinschaften anzuregen und „aktiv am Kampf für die ‚sozialistische‘ Umgestaltung der Landwirtschaft teilzunehmen“.
Der Eintritt in die VdgB ist statutenmäßig freiwillig. In Wirklichkeit war der privatwirtschaftliche Einzelbauer durch die Monopolstellung der VdgB gezwungen, seine Betriebsmittel bei ihr zu beziehen sowie seine Geld- und Kreditgeschäfte mit ihr abzuwickeln. Von Nichtmitgliedern wurden besondere Verwaltungsgebühren erhoben. Im Laufe der Jahre wurden der VdgB eine Reihe ihrer Aufgaben wieder abgenommen, wie z. B. die MAS und die Wirtschaftsberatung. Die Zwangskollektivierung „hat die VdgB nicht überflüssig gemacht, sondern … ihr neue, höhere Aufgaben gestellt … die gegenseitige Hilfe muß einen neuen, sozialistischen Inhalt bekommen“. Trotzdem ist der Mitgliederstand der VdgB seit dem Jahre 1956, in dem der Höchststand mit 641.022 Mitgl. erreicht wurde, rückläufig; er betrug 1963 noch 508.577 Mitgl. Gem. Beschluß der 8. Tagung des ZK der SED und der Zentralen Delegiertenkonferenz auf dem VI. Bauernkongreß im Dez. 1960 in Rostock sind der VdgB folgende „Schwerpunktaufgaben“ gestellt worden: die aktive Mithilfe zur Erfüllung der Volkswirtschaftspläne und zur Steigerung der Marktproduktion; die Produktionshilfe für die LPG; im Rahmen der nationalen Bauernpolitik die „gründliche politische Überzeugungsarbeit, um alle Bäuerinnen und Jugendlichen als Mitglieder der LPG zu gewinnen“; im sozialistischen Dorf den sozialistischen ➝Wettbewerb zu organisieren; die Arbeit der Dorfakademien und der Dorfklubs zu organisieren und „den Sozialismus auf dem Lande zum Siege zu führen“.
Literaturangaben
- Kramer, Matthias: Die Landwirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone. 4. Aufl. (unter Mitarb. v. Gerhard Heyn und Konrad Merkel). (BB) 1957. Teil I (Text) 159 S., Teil II (Anlagen) 224 S.
- Merkel, Konrad, und Eduard Schuhans: Die Agrarwirtschaft in Mitteldeutschland — Sozialisierung und Produktionsergebnisse. (BB) 2., erw. Aufl. 1963. 200 S. m. 53 Tab. (Führt M. Kramers Schrift fort.)
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 444
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