Wenden (1965)
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Die kleine wendische Volksgruppe in den Gebieten um Bautzen und Hoyerswerda und im Spreewaldgebiet hat ihre kulturelle Eigenart bis in die Gegenwart bewahrt. Obschon sich kaum 5 v. H. [S. 475]der Bevölkerung zum wendischen Volkstum bekennen, die Volksgruppe (1925: 62.000, heute wahrscheinlich nur noch 38.000) ständig abnimmt und der von der benachbarten Tschechoslowakei her genährte wendische Nationalismus niemals ernstliche Bedeutung gewann, drängt das Regime der SBZ den vorwiegend kirchlich-protestantisch und antikommun, eingestellten W., offiziell als Sorben bezeichnet, die Autonomie geradezu auf; Ausdruck dieser mit schwankender Entschiedenheit betriebenen Politik waren das am 23. 3. 1948 vom sächsischen Landtag beschlossene Sorben-Gesetz und das Gesetz zum Schutze der niederlausitzischen Bevölkerung und ihrer Kultur vom 12. 9. 1950. Beim Ministerium für Kultur gibt es einen Beirat für Sorbenfragen; Vors. Robert Lehmann, einer der Stellvertreter des Ministers.
Die W. haben eine kommunistisch gesteuerte Heimatbewegung, die Domowina, eine Tageszeitung „Nowa Doba“ („Neue Zeit“) und eine (niedersorbische) Wochenzeitung „Nowy Casnik“. Der Sender Cottbus strahlt sonntags für die Dauer einer knappen Stunde in „sorbischer“ Sprache aus. Ein „Institut für sorbische Volksforschung“ wird von der Deutschen ➝Akademie der Wissenschaften betreut, an der Leipziger Universität besteht ein Sorbisches Institut, und neben einigen weiteren Instituten gibt es in Bautzen und Cottbus „sorbische“ Oberschulen, in Bautzen ein (zweisprachiges) Deutsch-Sorbisches Volkstheater. Die Zweisprachigkeit in amtlichen Veröffentlichungen und Beschilderungen wird systematisch gefördert.
Die Entwicklung der wendischen Volksgruppe wird nicht nur in der Tschechoslowakei, sondern auf Grund der These, daß Sorben und Serben miteinander verwandt seien, auch in Jugoslawien beobachtet. Die Volksgruppe fühlt sich in jüngster Zeit durch deutsche „Unterwanderung“ im Gefolge der Errichtung des Industriekombinats Schwarze Pumpe bedroht. (Nationalitätenpolitik)
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Neunte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1965: S. 474–475